Paris ist eine Messe wert
Meister unsere schönen Waffen allzusehr bestaunte und zudringliche Fragen stellte, gab ich seiner Zunge andere Beschäftigung, indem ich Poussevent zwei Flaschen Wein entkorken und einen Imbiß reichen ließ. Die Leibesstärkung tat den zagen Gesellen sichtlich gut, und wie einst mein Vater und Sauveterre, wenn sie mit unseren Leuten zum Kampf auszogen, sprach ich zur Stärkung der Geister einige Worte, die sie im voraus für den Mut lobten, sich bei Nacht auf den verrufenen Friedhof der Saints-Innocents zu wagen.
»Ihr werdet weder Gespenster noch böse Geister finden«, sagte ich, »aber vielleicht Landsknechte, die dort angeblich kleine Kinder braten. Fürchtet sie nicht, meine Freunde: sie sind genauso feige, wie sie grausam sind. Aber wer von euch eine Feuerwaffe hat, der fackele nicht, wenn sie sich die Muskete gegen den Magen drücken, denn das ist ihre Art zu schießen, ohne wie wir erst an der Wange anzulegen, denn damit haben sie den Vorteil, überraschend und schnell zu sein, wenn auch nicht präzise. Also, schießt, ehe sie schießen, oder springt hinter ein |314| Grabmal und kommt erst hervor, wenn sie ihre Ladung abgefeuert haben.«
Wenn ich mich heute, da ich dies schreibe, jener Expedition entsinne, muß ich gestehen, daß ich damit nicht nur die Regel der besten Mediziner befolgte, wonach Tote spätestens einen Tag und eine Nacht nach dem Hinscheiden bestattet werden sollten, um die Infektionsgefahr zu vermeiden, die von einem verwesenden Leichnam im Haus ausgeht, sondern daß ich ebenso sehr aus dem Verlangen handelte, mit eigenen Augen zu sehen, was an den grausigen Geschichten war, die man sich über diesen Kirchhof erzählte.
Der Pförtner machte nun große Schwierigkeiten, uns einzulassen, bei Nacht, sagte er, sei es in der Umfriedung nicht geheuer, so daß er auch mit seinem Kruzifix keinen Schritt hinein wagen würde. Und damit sein angstvolles Gerede die Tapferkeit der Schreiner nicht ganz zerrinnen ließe, drückte ich ihm rasch ein paar Sous in die Hand, und die Pforte drehte sich in den Angeln, bevor ein Amen gesagt war.
Nun ja, es war finster auf dem Friedhof, denn der Vollmond versteckte sich hinter dichtem Gewölk, nur unsere Laternen beleuchteten unseren Weg. Und als Miroul die Grabstelle gefunden hatte, senkte der Schreinermeister Tronson den Sarg, den er wie eine Feder auf der Schulter getragen hatte, mit seinen großen Händen, doch nicht ohne Zartgefühl und Andacht in die Grube.
Während wir nun die gebräuchlichen Gebete sprachen, näherte sich mir der dicke Poussevent.
»Moussu«, flüsterte er in mein Ohr, »ich sehe Irrlichter.«
So leise er auch geflüstert hatte, die anderen hörten es, und die Schreiner, auch der starke Tronson, fingen an zu zittern und zu schlottern, und ihr tiefes Schweigen bezeugte, daß sie am liebsten woanders wären, nur nicht hier.
»I wo, Irrlichter, Kameraden!« sagte ich. »Irrlichter, heißt es, sind Teufelswerk, wie kämen die auf geweihte Erde? Ich gehe nachsehen, was es ist. Wartet ein Weilchen.«
»Moussu, ich komme mit«, sagte Miroul.
»Ich auch«, sagten wie aus einem Mund Pissebœuf und Poussevent.
»Nein, ihr beiden bleibt bei Meister Tronson zur Verstärkung! Er ist in meiner Abwesenheit euer Leutnant.«
Nachdem ich ihn mit diesem Titel geschmückt hatte, damit |315| er nicht Reißaus nehme – Eitelkeit ist der beste Helfer des Muts –, ergriff ich eine Laterne, die ich jedoch als zu verräterisch lieber stehenließ. Und weil im selben Moment zwischen den schnellen Wolken ein Zipfel Mond zum Vorschein kam, ließ ich es mir genügen und ging mit Miroul nach jenem abgelegenen Teil des Friedhofs, wo Poussevent Irrlichter gesehen haben wollte. Doch je weiter wir zwischen den Grabstätten vordrangen, was nicht einfach war, heimtückische Wurzeln und Dornen behinderten unseren Schritt, desto größer wurde der Lichtschein, bis er sich schließlich als loderndes Feuer herausstellte, vor dem sich menschliche Schatten geschäftig hin und her bewegten.
Wie sonderbar, dachte ich, ein Feuer an solchem Ort, und das im August, in so lauer Nacht! Und, L’Etoiles Geschichten im Sinn, schlich ich näher, obwohl Miroul mich zweimal am Arm zog, um mich zurückzuhalten. Und was ich sah, als ich nahe genug war, vereiste mir das Herz vor Jammer und Entsetzen, so daß ich einen Moment starr stand: Schauer liefen mir über den Rücken, der Schweiß brach mir aus, und die Haare sträubten sich mir auf dem Kopf – ein Ausdruck, den ich stets
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