Paris ist eine Messe wert
über Herrn von Montag erfahren hatte, einschließlich der verschlungenen Initialen R und A auf seiner Schulter – was dem Gouverneur neu war, was ihm aber auch nicht auf die Sprünge half, weil er nicht wußte, daßA für den Chevalier d’Aumale stand, und ich gab diesen Namen aus bekannten Gründen nicht preis, fragte mich sogar, ob ich ihn dem König nennen sollte, als Monsieur de Vic mich kurzerhand zu Monsieur de Rosny brachte, wo Seine Majestät zu früher Morgenstunde Rat hielt.
Außer Rosny und dem König waren dort der Marschall von Biron, der Vicomte de Turenne und der sehr tapfere und höfliche La Noue, der bei vielen, selbst im ligistischen Lager, nur der »protestantische Ritter« hieß. Alle machten ernste, lange Gesichter, nur der König wirkte munter wie stets, oder gab vor, es zu sein. »Ha, Graubart!« sagte er, als er mich sah, mehr aber nicht, und bedeutete mir durch einen Wink, mich etwas abseits auf eine Truhe in einer Fensternische zu setzen, während er sich mit seinen Räten um einen Nußbaumtisch niederließ. Doch nur auf kurz, was ihn betraf. Denn sobald das Gespräch sich belebte, hielt ihn seine Ungeduld nicht am Platz, er sprang auf und wanderte auf seinen kurzen, muskulösen Beinen wie eh und je durchs Zimmer, die Hände bald auf dem Rücken verschränkt, bald mit der Rechten an seiner langen Nase ziehend, als wollte er sie noch verlängern, und ulkte die meiste Zeit über die Schulter hinweg, obwohl seine sorgenvollen Augen dem Mund widersprachen.
»Sire«, sagte Marschall von Biron, der als erster sprach, »es gibt keinen Zweifel mehr: Was wir seit drei Monaten fürchteten, ist eingetreten. Der Herzog von Parma hat Flandern auf wiederholten Befehl Philipps II. verlassen und unterstützt den Herzog von Mayenne zu Meaux mit einer spanischen Armee.«
»Dann wird sich endlich zeigen«, sagte der König mit spöttischem Lächeln, »ob der Dicke Mumm in den Knochen hat, denn ohne die Spanier traute er sich ja nicht, uns anzugreifen. Wieviel Mann hat Parma?«
»Etwa 13 000, Sire«, sagte Biron, »3000 Mann Kavallerie und 10 000 Fußvolk.«
»Was die spanische Infanterie angeht«, sagte der König nach einem Schweigen, »die ist gut und tapfer. Und, um Euch nichts vorzumachen, die fürchte ich. Aber die Kavallerie ist schwach. |328| Und ich vertraue auf Gott und meine französische Kavallerie, die auch den größten Teufeln Respekt einjagt.«
Die Anwesenden nickten beifällig mit dem Kopf, wußten doch alle, daß zwar der Herzog von Parma der beste Stratege seiner Zeit war (obwohl er seine Truppen aus einer Sänfte heraus befehligte, wo er von Schmerzen festgenagelt saß), daß aber Navarra besser als jeder andere seine Kavallerie einzusetzen verstand, die in der Schlacht von Ivry allein den Sieg herbeigeführt hatte.
»Es muß also«, sagte Marschall von Biron in entschiedenem Ton, »die Belagerung sofort aufgehoben werden, um nach Sammlung unserer rings um Paris verteilten Truppen den Herzog von Parma und den Dicken anzugreifen.«
Das Schweigen, das diesen Worten folgte, war lang und schwer, denn allen schlug der Gedanke wie Blei aufs Herz, daß damit alle Mühsal und alle Opfer der vergangenen vier Monate vergeblich gewesen waren. Denn es bedurfte doch keiner Erwähnung, daß Paris, kaum daß der König abgezogen wäre, wieder zu Wasser wie zu Lande versorgt werden würde, und daß man es durch erneute Belagerung und mithin erneute Hungersnot bezwingen müßte.
»Nun, La Noue?« sagte der König auffordend zu dem großen Heerführer, den ich mit den Augen verschlang, denn obwohl er bei Ivry gekämpft hatte wie ich, hatte ich ihn noch nie von so nahem sehen können. Was sicherlich auch daran lag, daß er zu der Zeit, als ich am Hof Heinrichs III. diente, in Spanien als Gefangener saß.
La Noue war jetzt neunundvierzig Jahre alt, hager und eckig von Statur, und sein mannhaftes Antlitz, sein freimütiger Blick zeugten von schlichtem Sinn und lauterem Herzen, und seine allseits bekannte Treue zur hugenottischen Sache und zum König war ebenso fest und unerschütterlich wie sein linker Arm aus Lothringer Eisen, seit er seinen leiblichen Arm bei Fontenay-le-Comte verloren hatte.
»Sire«, sagte La Noue sanft, indem er sich gegen Seine Majestät und Biron verneigte, »bei allem schuldigen Respekt vor dem Herrn Marschall meine ich, im Gegenteil, wir sollten nicht von Paris abziehen und somit auf allen Gewinn dieser langwierigen Belagerung verzichten, sondern abwarten, bis die
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