Paris ist eine Messe wert
heißt La Goulue«, sagte Monsieur de Vic. »Raunt ihr die Worte zu:
Ad augusta per angusta
1 , und sie schnurrt Euch herunter, was sie weiß. Und noch |325| ein Rat, Monsieur. Laßt Eure Kutsche in meinem Hof und begebt Euch diskret zu Fuß dorthin.«
Mit endlosen Dankesworten willigte ich ein, verstand ich doch, daß Monsieur de Vic meinen Pferden Gastfreundschaft gewährte, um sicher zu sein, daß er mich wiedersähe und meine Geschichte hörte, nachdem ich die Goulue getroffen hatte.
Leser, der Hugenotte schluchzte in meinem wenig papistischen Herzen, als ich im Spiel stoisch hundert gute, blanke, klingende, unangekaute Ecus verlor, bevor ich ins Allerheiligste vorgelassen wurde –
ad augusta per angusta
–, ich meine, ins Zimmer der Goulue, während die Raverie sich nirgends blicken ließ im Haus, welches, was Ausstattung, Zimmer, Bequemlichkeiten und Eleganz anlangte, den Pariser Hôtels der höchsten Damen des Reiches in nichts nachstand. Ich hätte mich also trösten können, welch guter Gebrauch von meinen Ecus gemacht wurde, hätte ihr Verlust nicht dermaßen geschmerzt.
Ich glaubte schon, die Goulue würde sich auf mich stürzen, kaum daß die Tür hinter uns geschlossen wäre, gehörte sie doch zu jenen, die einen Mann auf einen Haps verschlingen. Doch zügelte ich ihre ungestüme Natur, indem ich ihren Kopf mit beiden Händen faßte und ihr die Parole von Monsieur de Vic ins Ohr raunte.
»Na, schönen Dank!« sagte sie mürrisch. »Da kommt mir mal ein Mannsbild vor die Zähne, und er will nichts wie Gerede! Gerede für hundert Ecus! Das ist teuer bezahlt!«
Leser, nun glaube nicht etwa, daß die Goulue eine große, kräftige Frau gewesen wäre, im Gegenteil, nie sah man ein kleineres, wenngleich rundum rundliches Wesen von gleicher Lebhaftigkeit.
»Wir werden sehen«, sagte ich und ließ mich in einen Sessel nieder, worauf die Goulue mir auf den Schoß sprang, sich anschmiegte wie eine Katze und mir um den Bart ging. »Sag, Schätzchen«, fuhr ich fort, »kann ich die Raverie heute nacht sehen?«
»Katerchen«, sagte die Goulue, die wie springendes Wasser sprach, »weder Ohr noch Schwanz siehst du von ihr. Jeden Montag hat die Raverie nämlich Religion bei Herrn von Montag und kommt erst frühmorgens zum Vorschein, gleichzeitig mit ihm, und beide total zermahlen, weil sie die ganze Nacht getobt haben wie die Ratz im Stroh.«
|326| »Was? Ohne Pause?«
»Nur ich bring zwischendurch einen Imbiß, und dann hat der splitternackte Herr von Montag sehr darauf acht, mir den Rücken zu kehren, und nach seiner jungen und muskulösen Hinterseite zu urteilen, kann ich mir die Vorderseite vorstellen.«
»Herr von Montag, heißt er so?«
»Das glaub ich kaum. Er trägt auf der linken Schulter unauslöschlich die verschlungenen Buchstaben R und A eingeritzt, und wenn R die Raverie ist, müßte er ja wohl A sein.«
Ich hörte dies, ohne mit einer Wimper zu zucken, staunend, daß der so wohlgeborene d’Aumale sich derweise zu einem Freudenmädchen herabließ und sein Leben aufs Spiel setzte, nur um sich inmitten des feindlichen Lagers mit ihr zu verlustieren.
»Ich wette«, sagte ich, »daß die Raverie es vor allem auf sein Geld abgesehen hat.«
»Überhaupt nicht!« sagte die Goulue bestimmt. »Sie liebt ihn mit Herz und Schenkeln und Bauch und Seele.«
»Ist die Raverie denn so schön, wie ihr Herz weit ist?«
»Alterchen«, sagte die Goulue mit abschätzigem Blick, »verrenk dich nicht: du müßtest mindestens Baron sein, um ihr Lager zu besteigen.«
»Vielleicht bin ich es!«
»Vielleicht machst du Witze! Aber, was ihre Schönheit angeht, mußt du wissen, Alterchen, daß, wenn du die zehn schönsten Damen vom Hof in einen Mörser steckst, um daraus eine einzige zu machen, die alle an Schönheit übertrifft, kriegst du noch nicht mal die Ferse meiner Herrin! Ich sag dir, Katerchen: Die Raverie ist ein Königsweib!«
Als ich das Haus gegen Morgen verließ, kam Miroul aus der Küche, wo er mit den Armen auf dem Tisch und dem Kopf auf den Armen geschlafen hatte, kreuzlahm, murrend und maulend, wie ich ihn nie erlebt hatte, daß sämtliche Weiber in diesem goldenen Haus, bis hin zum letzten, ihr Schmuckstück nur gegen Geld feilhielten. Ein Handel, auf den mein Miroul, Gott behüte, sich nie und nimmer eingelassen hätte, betrachtete er sich doch als eine Art Gnadengeschenk der Vorsehung ans weibliche Geschlecht.
Ich teilte Monsieur de Vic mit, was ich aus dem schamlosen |327| Mund der Goulue
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