Paris ist eine Messe wert
denn vollauf beschäftigt, die Belagerung aufzuheben und sich zur großen Schlacht zu bereiten, konnte er mich nicht empfangen und ließ mir durch Rosny nur ausrichten, |331| ich solle in Paris bleiben, er hätte bald wieder Verwendung für mich.
So kehrte ich denn
intra muros
zurück, tieftraurig, daß mein König nach wie vor ohne Hauptstadt war und die Franzosen nach wie vor uneins. Wenigstens freute es mich, Doña Clara in meinem Haus erholt und gesund vorzufinden, der ich die Heimreise nach Spanien ausredete, solange die Zeiten so verworren waren und überall in Frankreich neuer Krieg zwischen Ligisten und Royalisten aufflammte.
Am nächsten Tag eilte ich zu Madame de Nemours, die mich im Hausgewand in ihrem kleinen Kabinett empfing und der ich sogleich meinen Vers erzählte.
»Also komplottiert mein Vetter d’Aumale nicht in Saint-Denis«, sagte sie. »Wie sonderbar, daß er sich ausgerechnet im royalistischen Lager tummeln muß, als gäbe es in Paris keine Frauen! Habt Ihr es Navarra gesagt?«
»Madame«, entgegnete ich, »ich habe es niemandem gesagt, und wenn ich es jetzt Euch sage, so weil ich mich unserer Abmachung gemäß vergewissert habe, daß es sich um eine Privataffäre handelt und nicht um ein Staatsgeheimnis.«
»Ich vermute, Monsieur«, sagte sie mit zugleich mildem und mokantem Lächeln, »Euch leitet dieselbe Vorsicht, wenn Ihr mir verschweigt, daß Navarra in Saint-Denis sein Bündel packt.«
»In der Tat, Madame«, versetzte ich, »beobachtete ich Vorbereitungen, die darauf schließen lassen, doch außer daß ich mir denke, daß Monsieur de Nemours davon ebenso und ebenso früh wie ich erfahren hat, ist es nicht meine Rolle, Nachrichten von einem Lager ins andere zu tragen.«
»Monsieur«, sagte sie und betrachtete mich mit leicht glitzerndem Blick, »Euer hohes Verdienst ist Eure Verläßlichkeit. Nun, um die Wahrheit über die Nächte meines Cousins festzustellen, hattet Ihr Ausgaben, die ich Euch erstatten möchte.«
»Auf keinen Fall, Madame!«
»Monsieur«, sagte sie mit süßsaurem Lächeln, »heißt das, Ihr fühlt Euch durch die Nacht im Zimmer der Goulue hinreichend entschädigt?«
»Madame«, sagte ich, etwas verwundert über die unverhoffte Attacke, »in keiner Weise! Diese Nacht bot mir nichts als bequemen Schlaf.«
|332| »Schön, Monsieur«, entgegnete sie vergnügt, »dann schulde ich Euch hundert Ecus.«
»Madame«, sagte ich, »ich habe die hundert Ecus nur zu Eurer Belustigung erwähnt. Sie sind ebensowenig zu bezahlen wie meine Ergebenheit.«
Das schien sie zu beschäftigen, denn sie betrachtete mich einen Moment wortlos aus ihren schönen Augen, dann lächelte sie verständnisinnig.
»Monsieur, fürchtet Ihr nicht«, meinte sie dann, »daß Eure fabelhafte Freigebigkeit mich auf den Verdacht bringt, daß Ihr nicht der Tuchhändler seid, für den Ihr Euch ausgebt?«
»Aber, Frau Herzogin«, sagte ich und fiel vor ihr nieder, »wenn Ihr diesen Verdacht nicht längst hegtet, hättet Ihr mir dann erlaubt, Eure Hände zu küssen?«
»Ist das ein Geständnis?«
»Nein, Madame«, sagte ich, indem ich ihre Hände mit Küssen bedeckte. »Es ist die Erstattung.«
»Ho, Monsieur!« sagte sie mit kleinem Lachen. »Ihr seid toll! Hört auf! Sonst verärgert Ihr mich. Selbst wenn Ihr Baron oder Graf wärt, ließe ich mich zu sehr herab. Geht, Monsieur! Und besucht mich treulich zweimal die Woche. Es kann sein«, setzte sie fast mit denselben Worten wie der König hinzu, »daß ich wieder Verwendung für Euch habe.«
Am Morgen des 30. August – ich lag noch in tiefem Schlaf – klopfte es mächtig an meiner Haustür, und weil der Radau nicht endete, wollte ich Miroul herzuholen, fand ihn aber nicht in seinem Zimmer, wahrscheinlich war er so sehr mit Héloïse beschäftigt, daß er nur sein eigenes Stöhnen hörte. Worauf ich selbst nachsehen ging und durchs Gitter das freudige Gesicht des Schreinermeisters Tronson erkannte.
»Hallelujah, Gevatter!« rief er, kaum daß er mich gewahrte, »Navarra hat sich zum Teufel geschert! Heute, in aller Herrgottsfrühe, als ich auf den Mauern Wache schob. Und seine Armee ist überall verschwunden, außer von Saint-Denis. Hallelujah, Gevatter, hallelujah! Schluß ist mit unseren Leiden! Jesus und der gebenedeiten Jungfrau sei ewiger Dank! Um neun Uhr ist große Prozession, wir ziehen von den Filles-Dieu nach Notre-Dame, dort wird ein Gnaden-Tedeum gesungen! Sapperment, Ihr seid doch dabei?«
|333| Ja, ich war dabei, inmitten
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