Paris ist eine Messe wert
küssen – und es als hohe Ehre und Gunst ansahen, daß er sie uns zu reichen geruhte –, er nun dieselbe Ehrung einer Frau erwies, die ihn, zumindest dem Anschein nach, genauso absolut beherrschte wie er uns.
»Sire«, sagte sie klagend, indem sie das reizendste Mäulchen verzog, »je mehr ich Euer gegenwärtiges Betragen bedenke, desto mehr bin ich Euch gram.«
»Mir, meine teure Herrin?« sagte Henri, den Gabrielles Mienen und Mauzen entzückten und der, wie ich zu sehen meinte, vor Lust starb, seine Lippen auf besagtes Mäulchen zu drücken. »Madame, Ihr tätet mir unrecht, wenn Ihr glaubtet, irgend jemand auf der Welt könnte Euch mit einer Liebe dienen wie ich.«
»Wenn es so wäre«, sagte Gabrielle, »würdet Ihr nicht sagen: ›Ich werde tun‹, sondern ›Ich tue‹.«
»Was meint Ihr, mein Herz?« fragte der König, immer noch zärtlich lächelnd, doch nun mit einem Anflug von Verdacht in den Augen.
»Eure Bekehrung, Sire!«
»Ha, meine Bekehrung!« sagte der König, und noch immer lächelnd verstummte er.
Ich wagte weder zu schlucken, noch mich zu räuspern oder anders zu regen, war ich doch zugleich höchst beklommen, diesem Gespräch beizuwohnen, und überaus neugierig, welche Wendung es nehmen werde. Ich konnte aber auch gar nicht daran denken, es zu unterbrechen, um meinen Urlaub vom König zu erbitten, weil er meine Gegenwart vollständig vergessen hatte und Gabrielle mich so wenig beachtete wie die Truhe, auf der ich hockte.
»Ja, Sire, um Eure Bekehrung geht es!« sagte Gabrielle, »die Ihr in den vergangenen vier Jahren oft versprochen und jedesmal aufgeschoben habt.«
|369| »Dann wird es wohl«, sagte der König mit feinem Lächeln, »gute Gründe gegeben haben, sie zu versprechen, und gute Gründe, sie aufzuschieben.«
»Aber jetzt nicht mehr, Sire!« rief Gabrielle mit Vehemenz. »Sire, wie der Marquis von O treffend sagt, jetzt darf nicht mehr gezaudert werden! Sonst habt Ihr binnen Wochenfrist einen gewählten König in Frankreich!«
»Ich verstehe, mein Herz«, sagte der König, indem er sie scharf ins Auge faßte, »aber wieso nehmt Ihr Euch meine Bekehrung so zu Herzen? Eine so eifrige Katholikin seid Ihr doch nicht. Zu Beginn unserer Liebe, weiß ich, wart Ihr sogar von meinen Hugenotten so eingenommen, daß Ihr nur sie zu Bedienten wolltet.«
»Sire«, sagte Gabrielle, mit den Wimpern schlagend, »von dieser guten Meinung bin ich auch nicht abgerückt; sie glänzen wirklich in seltenen Tugenden. Aber nicht ich habe mich geändert, sondern die Zeit. Und die Zeit erfordert es, daß Ihr für Frieden und Thron Euer Hugenottentum opfert.«
»Mein Engel«, sagte der König, indem er ihr in die Augen blickte, »wenn ich sehe, wie Ihr mich in dieser Gewissensfrage bedrängt, die ja auch eine Staatsaffäre ist, komme ich nicht umhin zu denken, daß Ihr Euch vielleicht einen Vorteil erhofft, wenn ich abschwöre?«
»Sire, das ist wahr!« sagte Gabrielle mit bewundernswert gespieltem Freimut. »An wem liegt es denn, wenn nicht an Euch, der Ihr mich mit Monsieur de Liancourt vermähltet, der im Bett träge ist wie ein Klotz?«
»Eben deshalb gab ich ihn Euch zum Gemahl, mein Herz«, sagte lächelnd der König. »Aber, Sankt Grises Bauch! was hat Monsieur de Liancourt mit meiner Religion zu schaffen?«
»Nun ja, Sire, all Eure hugenottischen Minister zusammen sind niemals imstande, meine Ehe mit ihm aufzuheben. Hingegen kann es der Papst, wenn Ihr Euch bekehrt und Euch mit Seiner Heiligkeit einigt.«
»Mein Herz, ich verstehe Euch nicht«, sagte Navarra. »Ihr wollt Monsieur de Liancourt verabschieden, dabei hat er das große Verdienst, Euch der Autorität Eures Vaters entzogen zu haben, ohne daß er selbst die mindeste über Euch beansprucht, womit er Euch und mir einen unschätzbaren Dienst erweist.«
»Sire«, meinte Gabrielle, nun ganz Engel, »was wird eine |370| Frau sich von ihrer wiedergewonnenen Freiheit erhoffen, wenn nicht andere Ketten?«
»Madame«, sagte stirnrunzelnd der König, »wenn Ihr daran denkt, Euch mit ›Feuille Morte‹ zu verbinden, schneide ich mir eher die Zunge ab, als zuzustimmen. ›Feuille Morte‹ ist wie der Wind, bald in meinem Lager, bald im ligistischen, bald im Bett einer Schönen, bald unter dem Euren, wenigstens wenn ich drauf bin … Er gehört nicht Euch und nicht mir.«
»Ha, Sire!« sagte Gabrielle voll einer Verachtung, die mir nicht vorgetäuscht schien, »Monsieur de Bellegarde hat mich durch Untreue und Tücke zu sehr gekränkt,
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