Paris ist eine Messe wert
Hugenotte! Und ohne Pfand!«
»Monsieur«, sagte sie, »an meine Königin habe ich jetzt genug gedacht. Es ist Zeit, an mich zu denken.«
»Aber denkt auch an mich, bitte!«
»Ich werde mich bemühen, Monsieur«, sagte sie, indem sie lachend ihre Raubtierzähne zeigte. »Die Frage ist, ob das Pferd den Hafer frißt oder der Hafer das Pferd.«
Englischer Humor! Man staunt immer wieder, was dieses Volk, das seine Interessen so vernünftig vertritt, im Übermut für einen Unsinn redet.
Dank Rosny sah ich den König am folgenden Abend und trug ihm dieses Gespräch bis ins einzelne vor. Wieder war es spät und er schon zu Bett.
»Sankt Grises Bauch, Graubart!« sagte er seufzend, »von allen Dornen, die mich stacheln, ist Elisabeth wahrlich die stacheligste! Wie sie mich belagert! Und diese Flut von Vorhaltungen! Und Ermahnungen! Und geschrieben hat sie mir. Hat mir einen Prediger geschickt. Sie läßt mir durch die Markby auf den Pelz rücken. Ha, Sohn! Lieber von einem Löwen gebissen werden als von einer Löwin! Der hat nicht soviel Gift. ›Vater in Rom‹, ›Stiefschwester‹, siehst du, wie sie aus dem angeblichen ›Stief‹ gleich Vorteil schlägt? Calais soll ich ihr geben! Sie benutzt meine Bekehrung als Vorwand, um sich Calais zurückzuholen! Ich traue meinen Ohren nicht! Graubart«, fuhr er auf einmal lächelnd fort, »es wird Zeit, daß ich lerne, an die papistischen Heiligen zu glauben, damit sie mich Geduld mit meinen hugenottischen Freunden lehren. Turenne und La Trémoille murren, Duplessis-Mornay schmollt in Saumur, und |367| Elisabeth schilt mich in ihren Briefen, als wäre ich ihr Schüler und sie meine Lehrmeisterin!«
Worauf er, ungeduldig wie stets, und weil seine Sekretäre schon schliefen, mir einen Brief an Elisabeth diktierte, von dem ich leider keine Kopie besitze und mich nur entsinne, daß er insgesamt von Honig nur so troff. Jeder Satz war ein Kompliment an die Schönheit, Jugend, an den unwiderstehlichen Zauber und die erlesene Grazie der Empfängerin – die damals, 1593, immerhin sechzig war, sich allerdings auf alle Zeit schön und blühend fühlte und erwartete, daß man ihr dies endlos bestätige; die unveränderlich blond blieb und verlangte, daß man die Brünetten vor ihr in den Staub trete; die sich jungfräulich nannte und mit Essex schlief. Nun, der Leser weiß, daß ich, was Komplimente an Damen anbelangt, der Meinung bin, man solle sie nicht mit dem Löffel austeilen, sondern mit der Kelle. Aber Navarra nahm in diesem Brief die Schaufel. Nie sah ich den König dermaßen mit Schmeicheleien und Beteuerungen um sich werfen, nicht einmal in seinen blumigen Sendschreiben an Gabrielle d’Estrées, die, weiß Gott wie, am Hof zirkulierten. Nie trieb Ludwig XI. in Briefen an seinen ärgsten Feind, um ihn einzuwickeln oder zu entwaffnen, seine Rhetorik zu solch liebedienerischen Höhen. Doch in der Sache – Bekehrung und Calais – nicht das kleinste Zugeständnis. Da beschränkte sich der König lediglich darauf, »seiner vielgeliebten Schwester« vorzustellen, daß er, wenn er sich auch bekehrte, sich nie und nimmer mit Philipp II. verbünden werde, der ihn seit zwanzig Jahren mittels der Liga und der Guises so unerbittlich verfolgte.
Das Diktat dieses köstlichen Briefes, den ich, auf einer Truhe sitzend, das Schreibpult auf den Knien, schrieb, schien mir bei weitem nicht beendet, als es auf eine bestimmte Weise klopfte, der König hochschnellte, daß er lotrecht saß, und der Diener sprang, die Tür zu öffnen.
»Ah, mein Herz! Ich küsse millionenmal Eure Hände!« rief der König, während Gabrielle d’Estrées, wunderschön mit ihrem wippenden Reifrock, hereintrat und sich voller Anmut auf der Bettstatt niederließ, wo der einzige Leuchter ihr Engelsantlitz beschien. O ja, Leser, ihr schöner Name trog nicht! Madame de Liancourt, geborene d’Estrées, hatte, wenn vielleicht auch nicht das Herz, so doch gewiß das Gesicht eines Engels, denn tatsächlich |368| glich es seltsam dem Gabriel in Leonardo da Vincis Gemälde
Die Verkündigung.
Nachdem sie, nicht etwa nahe, sondern in einigem Abstand vom König Platz genommen, reichte sie mit einer Gebärde von wahrhaft königlicher Huld ihre schönen Hände hin, und der König küßte sie, zwar nicht millionenmal, aber doch einige zigmal mit einer anbetungsvollen Inbrunst, die mich frappierte, wie mich ebenso die Tatsache frappierte, daß, wenn wir, seine Untertanen, vor Henri niederknieten, um ihm die Fingerspitzen zu
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