Paris ist eine Messe wert
als daß ich ihm je vergeben könnte. Und Ihr, Sire, würdet mich kränken, wenn Ihr Eure ihn betreffenden alten Verdächtigungen aufwärmtet. Ich bitte Euch, laßt ›Feuille Morte‹ im Beet meines Vergessens modern. Im übrigen wäre ich sehr töricht, wenn ich, die von dem höchsten Franzosen geliebt wird, niedriger strebte.«
»Madame!« sagte süßsauer der König, »Ihr würdet mir die Ehre und das Glück erweisen, an mich als Gatten zu denken? Aber, Madame, ich bin verheiratet!«
»Ach, Sire! So wenig! Mit einer Königin, die nicht nur ins Lager Eurer ärgsten Feinde wechselte, sondern die Euch sogar zu vergiften trachtete und deshalb im Kerker dahinsiecht.«
»Mein Herz, sie siecht ganz und gar nicht«, sagte Navarra, der die Kunst besaß, die verborgensten Gedanken seines Gegenübers zu lesen. »Margot, mein schöner Engel, ist gesund und munter. Und das bleibt sie! Sie wird noch hundert Jahre alt werden! Welche gerechten Vorwürfe Heinrich III. und ich auch gegen sie hegten, so waren wir uns doch einig, sie niemals unmenschlich zu behandeln.«
»Ich bewundere Eure christliche Barmherzigkeit«, sagte Gabrielle, die mich, als sie diese Worte sprach, weder christlich noch barmherzig dünkte, »aber in all den Ehejahren hat Margot Euch keine Kinder geboren, und der König von Frankreich braucht einen Erben, sonst ermutigt er Umtriebe und Intrigen.«
»Sankt Grises Bauch, meine Liebste!« sagte lachend der König, »ich bin, Gottlob, nicht alt noch gebrechlich. Und ich habe im Augenblick andere Sorgen, als an meine Nachfolge zu denken.«
»Dennoch, Sire, würde ein Erbe Euren Thron ebenso festigen wie Eure Bekehrung, und wenn Ihr Euch nach dieser an |371| den Papst wenden würdet, damit er Euer Band mit Margot löst, glaubt mir, dann wird er es nicht ablehnen können, zumal Eure Ehe unfruchtbar blieb und Ihr klagen könntet, sie sei nicht vollzogen worden.«
»Und wer soll das glauben?« versetzte der König lachend. »Ich stehe nicht im Ruf eines Monsieur de Liancourt! Im Gegenteil!«
»Ihr wißt sehr gut, daß der Papst und die Kardinäle glauben, was ihnen zupaß kommt, und nicht glauben, was sie nicht wollen.«
»Ihr redet wie eine Hugenottin, mein Herz!« sagte der König noch mehr lachend, »aber damit der Papst meine Ehe für ungültig erklärt, müßte Margot dasselbe bezeugen.«
»Was sie mit Freuden tun wird, wenn Ihr sie dafür aus dem Kerker entlaßt und sie zurückkehren darf an den Hof.«
»Mein Seelchen, Ihr habt an alles gedacht«, sagte der König, indem er sich den Anschein gab, Ja zu sagen, indem er nicht Nein sagte – was laut Rosny seine Ausflucht vor Damen war, die ihn zu sehr bedrängten. Hiermit ergriff er die schönen Hände seines »Engels«, küßte sie erneut und hätte es vielleicht dabei bewenden lassen, doch Gabrielle beugte sich und bot ihm gefällig ihre Lippen dar – denen Navarra nicht widerstehen konnte.
»Graubart«, sagte er, als er zu Atem kam und sich meiner auf einmal erinnerte, »laß den Brief, wir machen morgen weiter.«
Gleich am nächsten Morgen besuchte ich Monsieur de Rosny, weil ich ihm soviel Freundschaft und Vertrauen zu schulden meinte, um ihm sowohl mein Gespräch mit Mylady Markby wie auch Gabrielles Gespräch mit dem König zu berichten.
Worauf er erst einmal herzlich lachte, bis über die breiten Wangenknochen und mit fröhlichen Funken in den blauen Augen.
»Zwei Frauen streiten um die Religion des Königs«, sagte er. »Die Engländerin sagt Hü! die Französin Hott! und beide nicht uneigennützig! Elisabeth will Frankreich zur protestantischen Schwelle machen, die sie vor Philipp II. und dem Papst schützt. Und seit Gabrielle ›Feuille Morte‹ entsagt hat, ist ihr einziger Gedanke, den königlichen Thron zu festigen, und aus |372| dem einzigen Grund, weil sie mit ihrem Hintern neben seinem darauf sitzen will, die einander soviel verdanken!«
Dabei platzte er fast vor Lachen, denn Derbheiten liebte er, ein so guter Hugenotte er auch war.
»Was Gabrielle angeht«, fuhr er fort, »tut es nichts, ob ihre Absicht gut ist oder nicht. Derzeit strebt sie in die richtige Richtung und macht sich, wie Agrippa d’Aubigné es poetisch sagt, ›die gelegenen Stunden der Tage und Nächte‹ zunutze. Besonders der Nächte.«
»Ihr mögt sie nicht.«
»Ich mag sie, aber ohne Übertreibung«, sagte Rosny, die Brauen wölbend. »Sie hat den König mit ›Feuille Morte‹ gehörnt. Ein Wunder, daß sie nicht noch Entschuldigungen verlangte, daß
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