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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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mir schien, denn er blieb eine Weile still und mußte sich überwinden, den Mund wieder aufzutun.
    »Besten Dank, Moussu«, sagte er schließlich widerstrebend, »aber es bleibt genug Zeit, darüber nachzudenken: Frieden gibt es nicht morgen. Und glaubt Ihr denn, daß Ihr je ohne mich auskommen könnt, der ich Euch Augen, Ohren und Arme bin?«
    »Meinst du, ich bin blind, taub und Krüppel?«
    »Das nicht, Moussu, nur daß meine Sinne und Gliedmaßen die Euren verdoppeln. Während Ihr hier zum Beispiel mit Monsieur de Rosny konferiertet, habe ich meinen Schnurrbart durchs übervölkerte Saint-Denis spazierengeführt – die Bevölkerung hat sich verdreifacht, seit der König hier weilt –, und so traf ich einen Edelmann, der soeben zurückkehrt aus seiner Provinz.«
    »Diga me.
1
«
    »Und den zu sehen Euch höchste Freude sein wird.«
    »Sein Name?«
    »Und da Ihr ihn so sehr liebt …«
    »Sein Name?«
    |375| »Wie er auch Euch …«
    »Sein Name, beim Ochsenhorn!«
    »Jean de Siorac, Baron von Mespech.«
    »Himmel! Weißt du, wo er wohnt?«
    »Weiß ich noch, ob ich es weiß?«
    »Ha, deine Tyrannei, Miroul! Bin ich noch dein Herr?«
    »Was für ein Herr ist einer, der sich ohne seinen Diener aus dem Haus begibt? Erinnert Ihr Euch, bitteschön, nicht mehr, wie Ihr in Paris ein einziges Mal allein losgingt und um ein Haar von dem schrecklichen Louchart gehängt worden wärt?«
    »Der seinerseits von Mayenne gehängt wurde, weil er die Hinrichtung von Präsident Brisson mit betrieb.«
    »Was Euch nicht wieder zum Leben erweckt hätte.«
    »Miroul, noch einmal, wo wohnt er?«
    »Moussu, bin ich herzlos? Seht Ihr nicht, wohin wir gehen? Wir sind gleich dort.«
    Ich weiß nicht, welcher alte Dichter über die Begegnung einander innigst zugetaner Leute schrieb:
     
    Man küßt sich! Man herzt sich!
    Man zwitschert! Man plappert!
    Ganz schwirrig, ganz flatterig!
     
    Das »flatterig« steht da, glaube ich, nur wegen des Reims, jedenfalls sind Menschen beim Wiedersehen doch tiefer bewegt und erdenschwerer, als daß man sie mit flatternden Vögeln vergleichen könnte. Wenn schon ein Tiervergleich, dann würde ich sagen, daß mein Vater und ich bei unseren Umarmungen Bart an Bart uns eher wie zwei Bären rieben. Und was das »Zwit schern « und »Plappern« angeht, so beschränkte sich der Baron von Mespech darauf, mir das Neuste von unseren Leuten auf Mespech zu berichten, was er freudig tat und ich freudig hörte, was aber nicht ewig währte, denn Jean de Siorac war ein zu guter Hugenotte, um nicht bald auf Handfestes zu kommen.
    »Mein Pierre«, fragte er, »habt Ihr auf Chêne Rogneux schon Euren Weizen eingebracht?«
    »Der Weizen, Herr Vater«, sagte ich lächelnd, »wird hierzulande nicht so früh geerntet wie im Périgord.«
    »Richtig, das sah ich unterwegs. Aber was macht Ihr mit Eurem Weizen, wenn er geschnitten, gedroschen und eingesackt ist?«
    |376| »Ich verkaufe den größten Teil an einen ehrbaren Kornhändler in Montfort l’Amaury.«
    »Falsch, mein Herr Sohn! Ihr müßt – leider konnte ich das nicht auf die Entfernung – Euren Verwalter anweisen, daß er den Weizen in Paris verkauft. Denn seit dem Waffenstillstand genießt die gute Stadt wieder Handelsfreiheit und wird sich, durch all das Darben und Hungern gewitzt, reichlich eindecken, um nicht noch einmal so übel dazustehen. Also könnt Ihr Euren Weizen teuer verkaufen. Ihr müßt lediglich Sorge tragen, daß Ihr Eure Leute für die Reise bewaffnet, Eure Karren gut schützt, und selbst über aller Sicherheit wachen.«
    Nachdem er derweise meine Geschäfte zu meinem Besten geregelt hatte, fragte er, wie es mit der Bekehrung des Königs stehe, denn davon rede man überall in Frankreich, bis ins Sarladische und in die fernsten Provinzen. Ich erzählte ihm sogleich meinen Vers, und er lauschte mit großer Aufmerksamkeit. Und während ich sprach, betrachtete ich ihn und fand an ihm weder Bauch noch krummen Rücken, vielmehr die Augen inmitten seiner Runzeln so lebhaft, das Gesicht so rosig trotz des nun immer weißeren Haars, den Kopf so aufrecht und die ganze Haltung so straff, daß ich nur staunen konnte, wie gut er mit seinen siebenundsiebzig Jahren die gewaltige Reise vom Sarlat bis Paris bewältigt hatte, um seinen König zu sehen und meinen Bruder Samson, mein Schwesterchen Catherine und mich zu umarmen. Doch merkwürdig, im selben Moment, da ich, während ich sprach, seine Frische bewunderte, die mir unvergänglich erschien, traf mich der

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