Paris ist eine Messe wert
ich diene; ich darf mich deshalb in zwielichtigen Schenken und verrufenen Straßen nicht sehen lassen.
Adhuc sine crimine vixi
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et fama mea clara est.
1 Drum nichts von Taverne. Wenn du gleichwohl gegen zwei Uhr in der Rue des Cordonniers Nummer 25 anklopfen willst, führt dich eine
ancilla formosa
2 zu mir. Jetzt und auf ewig dein sehr getreuer und dich liebender
Ehrwürden Doktor Fogacer
Ich las Miroul das ebenso warmherzige wie komische Briefchen vor, und wir lachten vor Vergnügen, wie trefflich die lateinischen Zitate das Leben ironisierten, das mein ehemaliger Mentor an der Medizinschule von Montpellier bislang hatte führen müssen, immer von Stadt zu Stadt auf der Flucht vor dem Scheiterhaufen, der ihm ob seines Lebenswandels drohte. Weshalb er, wie man sich erinnern wird, für lange Zeit, auch in meiner Abwesenheit, auf Chêne Rogneux Zuflucht gesucht hatte.
Sie können sich denken, schöne Leserin, wie ich die
formosa ancilla
, als sie uns öffnete, von der Haarwurzel bis zu den Zehenspitzen musterte, denn ohne Zweifel war sie jenes hübsche junge Weib, das, wie der Baron von Mespech gesagt hatte, »überall und jederzeit« an Fogacers Seite war, weil seine einstige Tugend, meinem Vater zufolge, sich jenseits der Vierzig nicht gehalten hatte.
Das hübsche Ding schien mir knapp über fünfzehn zu sein, blank wie ein Apfel, etwas breit in den Schultern, doch der Busen rund, wenn auch zugeknöpft bis an das weiße Hälschen, die Hüften mägerlich, aber hinten herum gut gepolstert, das Blondhaar zu jungfräulichen Zöpfen geflochten und die Wangen zu wonniglicher Rosenfarbe erblüht unterm Feuer der vier Augen – Miroul war mit von der Partie –, dem die Ärmste sich ausgesetzt sah.
»Mi fili«
, sagte Fogacer, indem er, endlos lang in seinem schwarzen Gewand, mit so eckiger wie spinnenhafter Grazie aus seinem Zimmer trat und schon in der Tür die langen Arme ausbreitete, »ich habe dich und deinen Miroul, den getreuen Castor des Pollux, nicht hierhergebeten, damit ihr mit Augen meine arme Jeannette verschlingt, welche hier die Hausfee ist, nach Senf geht, meine Suppe kocht, aufträgt und abträgt, |382| wäscht und bleicht, Staub und Fliegen jagt, meinen Rücken schrubbt, meine Haare wellt, mir den Bart kratzt, und zu all diesen unschätzbaren Diensten, um dich,
mi fili
, zu zitieren, auch mein Bett macht und auseinanderreißt.«
Womit er, nur aufs Standbein gestellt und eine Hand in der lockeren Hüfte, auflachte, bis in die nußbraunen Augen unter den diabolischen Brauen. Ohne ersichtlichen Grund aber brach das Lachen ab, jäh schlossen sich seine blutroten Lippen, und er setzte sein sonderbares, gewundenes Lächeln auf, als mache er sich lustig über sich, mich und die ganze Welt.
»Jeannette«, fuhr er fort, indem er eine Hand mir und die andere – einen guten Klafter weiter, so groß war seine Spannbreite – auf Mirouls Schulter legte, »hast du in deiner Speisekammer etwas Genießbares zum Schmaus mit unseren Freunden?«
»Herr«, sagte Jeannette, die an solche Sprache gewöhnt schien, »ich habe frische Eier, Bayonne-Schinken, Ziegenkäse und eine Erdbeertorte, die ich heute morgen gebacken habe.«
»Und Wein?«
»Meßwein, Herr«, sagte Jeannette, den Mund leicht verzogen.
»Meßwein?« fragte Fogacer, als zürne er. »Den hast du, Schelmin, doch nicht dem Herrn Bischof gemaust?«
»Nein, Herr«, sagte Jeannette, und ihr Aprikosenteint wechselte ins Tiefrot, »der Sakristan von Monseigneur Du Perron ließ ihn mir ab gegen Bezahlung.«
»Gebenedeite Jungfrau!« sagte Fogacer, fromm die Hände faltend, »möge dieser Wein meine Zunge heiligen, sie hat es nötig.«
Worauf seine schwarzen, wie mit dem Pinsel gezogenen Brauen sich zu den Schläfen schrägten, er abermals auflachte und wieder jenes Lächeln annahm, durch das er mehr anzudeuten schien, als er in Worte faßte.
»Mein Freund«, sagte ich, Jeannette nachblickend, die munteren Schrittes den Raum verließ, »wie froh bin ich zu sehen, daß du endlich im Leben Fuß gefaßt hast, nachdem der weltliche Arm der Kirche dich solange verfolgte.«
»Welchselbige Kirche mich derzeit beschützt«, sagte Fogacer, »und mit gutem Recht, hab ich doch eines ihrer Glieder, ich sage nicht, welches, von einem Leiden kuriert, das bei |383| einem Gottesmann verwundert. Derweise stieg ich vom angesagten Scheiterhaufen zum Leibarzt und geheimen Berater des erlauchten Bischofs auf, dessen Aufstieg den meiner schwefligen Person allerdings an
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