Paris ist eine Messe wert
sonst?«
»Sonst! Ha, sonst!« sagte der Baron von Mespech und hob die Hände gen Himmel.
»Mit Verlaub, Vater«, sagte ich, indem ich einen Blick auf die dicke Uhr warf, die ich wie ein Handelsmann auf der Brust trug, »ich bitte Euch, mich zu entlassen, ich muß zur Messe.«
»Hoho! mein Sohn! Seid Ihr emsiger Papist geworden?«
»So wenig wie Ihr ein flauer Hugenott. Aber die Mönche und Priester haben überall ihre Spione, und da ich bei Mylady Markby wohne, die Engländerin und folglich Ketzerin ist, käme ich wie sie auf die Schwarze Liste der Liga, wenn ich der |379| Messe fernbliebe. Was ich als ehrbarer Tuchhändler nicht riskieren darf, denn wer weiß, ob der König mich nicht wieder mit Aufträgen nach Paris schickt.«
»Was? Ihr wohnt bei Mylady Markby! Der König sagt, sie ist ein Glutofen.«
»Kann sein.«
»In dem Falle, schmelzt nicht, mein Sohn.«
»Mein Vater, ich weiß mein Eisen wie Gargantua vor der Glut zu retten.«
Worauf der Baron von Mespech, die Hände in den Hüften, den Kopf zurückwarf und hellauf lachte. Ach, wie tat sie mir wohl, diese deftige Fröhlichkeit bei einem Mann seines Alters!
»Mein Pierre«, setzte er hinzu, »wißt Ihr, daß Ihr vermutlich Fogacer treffen werdet, wenn Ihr jetzt zur Messe geht?«
»Was!« rief ich freudig überrascht, »Fogacer! Fogacer hier!«
»Ja. Und überall und jederzeit mit einem hübschen jungen Weib zur Seite.«
»Was? Einem Weib?« fragte ich verdattert.
»Da staunt Ihr, nicht wahr?« sagte der Baron von Mespech, den ja nie der leiseste Verdacht gestreift hatte, daß Fogacer schwul sein könnte. »Ihr denkt sicherlich noch daran, wie Euer Onkel Sauveterre Fogacers Tugend lobte, als der mit seinem kleinen Pagen lieber bei ihm auf Mespech blieb, anstatt mit Euch, Samson und Catherine auf Puymartins großem Fest zu tanzen.«
»Daran denke ich, ja«, sagte ich undurchdringlich.
»Es wird wohl sein«, sagte mein Vater, »daß soviel Tugend nicht anhält, wenn einer über die Vierzig kommt, so wie manche Witwe aus Angst vorm unfruchtbaren Alter nach Galanen äugt.«
Sosehr dieser Vergleich mich im stillen auch ergötzte, ließ ich mir doch nichts anmerken und ging mit dem Versprechen, am Abend mit meinem Vater zu essen.
Ich fürchte, daß ich in jener Messe nicht allzuviel betete, so oft spähte ich nach rechts und links in der Hoffnung, Fogacer zu entdecken, wobei meine Augen durch die Mirouls verdoppelt wurden, die, wenngleich zwiefarben, darum nicht minder scharf waren. Aber die Kirche war zu voll, man hätte ebensogut eine Nadel im Heuhaufen suchen können, und so beschlossen Miroul und ich, uns nach dem
Ite missa est
jeder an einer |380| der beiden Türen zu postieren, durch welche die Gläubigen ins Freie fluteten.
Der glückliche Finder war Miroul, der mir eine Stunde später bei Mylady Markby vermeldete, er habe Fogacer hinausgehen sehen, aber nicht gewagt, ihn anzusprechen, weil er von Edelleuten umgeben war, die er, Miroul, kannte und die ihn womöglich erkannt hätten. Doch sei er Fogacer von weitem gefolgt und könne mir sein Wohnhaus zeigen. Wohin ich auch augenblicks eilte, doch machte es mir einen so vornehmen und großartigen Eindruck, daß ich nicht ohne weiteres anklopfen wollte. Daran tat ich gut, denn als Miroul jemanden fragte, welche hohe Persönlichkeit dort wohne, erhielt er zur Antwort, es sei Monseigneur Davy du Perron, Bischof von Evreux. Und weil Miroul steif und fest dabei blieb, daß Fogacer durch ebenjene erlauchte Tür gegangen sei, schrieb ich, in mein gastliches Quartier zurückgekehrt, ein Briefchen an Fogacer, das ich ihm durch einen Laufjungen übersandte:
Ehrwürdiger Doktor der Medizin Fogacer,
solltet Ihr in Euren gegenwärtigen Höhen noch ein liebendes Gedenken an einen bewahren, den Ihr einst
mi fili
nanntet und zu Montpellier an den sterilen Zitzen des Aristoteles nährtet, so kommt zum Stelldichein Schlag fünf im Gasthof »Zum Ecu«, Rue de la Dévalade.
Pierre
Es gibt ja zwei Sorten von Laufjungen, die einen schleichen nur so durch die Gassen, die anderen fliegen, als hätten sie Merkurs Flügel an den Hacken. Dieser nun aus meiner Straße in Saint-Denis namens Barnabé, der ein brandroter Rotschopf war, sprang, ohne daß ich hieraus Ursache und Wirkung ableiten will, von Haus zu Haus wie ein Feuer im Sturm. Und sowie Fogacer folgendes aufs Papier geworfen hatte, stand er auch schon wieder vor meiner Tür:
Mi fili,
Honestus rumor alterum est patrimonium.
1 Du weißt, wem
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