Paris ist eine Messe wert
Gouverneur von den ›Sechzehn‹ weder Festnahme noch Ermordung zu fürchten haben.«
»Er ist also ein vollendeter Janus.«
»Nur daß er nicht, wie Janus, zwei Gesichter hat, sondern wenigstens drei oder vier.«
»Glaubt Ihr denn, daß er dem König Paris ausliefern würde?«
»Mein teurer und unwandelbarer Freund«, sagte Pierre de L’Etoile, indem er mir fest in die Augen blickte, »seid Ihr nicht deswegen hier?«
Daß er meine vielen Fragen so klar gedeutet hatte, erschreckte mich, und ich erhob mich mit einem Blick auf meine Uhr.
»Ihr habt von mir nichts zu fürchten«, sagte L’Etoile. »Die Verfolgung der ›Sechzehn‹ hat mich Vorsicht und Schweigen gelehrt. Und, Pierre, noch eins«, fuhr er mit etwas verschämter Miene fort, »wärt Ihr verärgert, wenn ich in Eurer Abwesenheit einen Besuch in der Rue der Filles-Dieu machen würde?«
»Aber nicht im geringsten«, sagte ich lächelnd, »nicht alle Jungfern sind Gottesjungfern.«
Von L’Etoile aus ging ich zu Tronsons Werkstatt, um ihn abzuholen, damit er mich zum Haus von Monsieur de Brissac führe.
»Die Tür des Gouverneurs«, sagte er, indem er mir seine Pranke auf den Arm legte, »ist jene dort in Dunkelgrün, mit dem goldenen Klopfer. Aber, mit Verlaub, Gevatter, klopfen müßt Ihr allein. Ich möchte in dieser Geschichte nicht weiter auftauchen. Wie mein seliger Vater sagte: ›Mein Sohn, steck nie deine Finger in einen Topf, ohne zu wissen, was drin gekocht wird.‹ Kommt hierher, Gevatter, in diese Toreinfahrt. Ich decke Euch mit meinem Leib, damit Eure Ecus ungestört in meine Börse gleiten können. Und kein Wort«, setzte er gedämpft hinzu, »von den ›Sechzehn‹. Ich bin nicht über sie gegangen. Seit den Kerlen der Boden unter den Füßen brennt, verdächtigen sie sogar die Luft, die sie atmen. Aber ich kenne einen Sekretär des Herrn dort, weil ich mit ihm Geschäfte mache.«
»Sieh an!« sagte ich, »mit dem auch? Gevatter, eines Tages seid Ihr der reichste Mann in Frankreich!«
»Das sieht mir gar nicht so aus«, sagte Tronson achselzuckend und mit betrübter Miene. »Der Frieden steht vor der Tür, Gevatter, |432| und mit dem Frieden büßt der Sarg drei Viertel seiner Kundschaft ein. Adieu denn, und klopft erst, wenn ich um die Ecke bin.«
Ich habe Monsieur de Brissac in diesen Memoiren bereits in seinem Äußeren beschrieben, doch weil es sein kann, daß meine schöne Leserin sich des Porträts nicht mehr erinnert, will ich wiederholen, daß er ein sehr schöner Mann war, solange der Betrachter ihn nur von rechts im Profil sah. Kinn, Nase, Stirn, alles war edel und harmonisch geformt, überwölbt zudem von dichtem gewellten Haar und gerahmt von silberweißen Schläfen. Leider sah es mit ihm von vorne anders aus, denn sein linkes Auge hing etwas zur Wange herab, was die Augäpfel in eine Schieflage brachte, so daß es einem Unbehagen bereitete, ihn anzublicken, was sich noch verstärkte, wenn er sprach, denn seine Oberlippe hob sich dann, auch auf der linken Seite, und stülpte sich seltsam vor. Hinzu kamen seine Gewohnheit, beim Reden den Kopf aufzuwerfen, und eine schleppende, nasale Stimme, was einen abschätzigen Eindruck machte, dem seine Höflichkeit allerdings widerstritt, die untadelig war.
»Ha, Herr Tuchhändler!« sagte er, indem er mir mit etwas dümmlicher Miene beide Hände entgegenstreckte, »wie freue ich mich, Euch kennenzulernen! Nehmt Platz, bitte! Ich weiß, wie sehr meine gute Freundin, die Herzogin von Nemours, Euch schätzt, und wäre entzückt, Euch helfen zu können, soweit es meine Macht erlaubt.«
Ich antwortete hierauf mit Komplimenten, deren Überschwang meinem demütigen Stand entsprach; im stillen jedoch war ich überzeugt, daß Madame de Nemours, die äußerst diskret war, ihm niemals von mir gesprochen hatte. Wenn er also auf meine Beziehung zu Madame de Nemours anspielte, so zweifellos, um mir zu verstehen zu geben, daß er sehr wohl wußte, daß ich sie während der Belagerung von Seiten des Königs versorgt hatte, und folglich nicht bezweifelte, daß ich ihm eine Botschaft Seiner Majestät übermitteln werde.
»Herr Graf«, sagte ich, »bevor ich nach Paris kam, traf ich gestern in Saint-Denis gewisse Personen, die Euch sehr zugetan sind und sich um Eure Zukunft sorgen, solltet Ihr nicht den Weg Eures Interesses beschreiten.«
»Monsieur«, sagte Brissac, indem er seine Schielaugen aufriß, |433| aus denen er binnen eines Wimpernschlags jeden Ausdruck verbannt hatte, »solche
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