Paris ist eine Messe wert
verjagten, sagte Brissac, der Barrikadenheld: ›Da Seine Majestät mich weder zu Wasser noch zu Lande tauglich findet, wird er mir zugestehen müssen, daß ich mein Element gefunden habe: Auf dem Pflaster tauge ich.‹«
»Das zeigt«, sagte Henri, »bei allem Groll, daß er Witz hat. Brissac soll ein Leisetreter sein.«
»Mag sein, Sire, daß Tapferkeit nicht seine Stärke ist. Dafür ist er sehr durchtrieben, ein teuflischer Heuchler, der sich wunderbar dumm stellen kann. Er gilt als Werkzeug der Jesuiten, |427| aber ich glaube, er hat nur sein eigenes Interesse im Sinn und ist nur das Werkzeug seiner selbst und seines Ehrgeizes.«
»Und worauf gründest du dein brillantes Porträt, Graubart?«
»Auf die besonderen Umstände meiner Begegnung mit ihm.«
»Er kennt dich?«
»Er mich nicht. Aber ich ihn. Darf ich meinen Vers erzählen?«
»Wenn er kurz ist«, sagte der König mit einem Wink nach der Tür, zum Zeichen, daß ein Klopfen dort unsere Unterhaltung schnell beendigen könnte.
»Nachdem der König aus Paris geflohen war, erschien Brissac bei Mylord Stafford und versuchte ihn zu überreden, daß er in der Hauptstadt bleibe und nicht Seiner Majestät nach Chartres folge, wie es jedoch seine Pflicht als Gesandter der Königin Elisabeth war.«
»Woher weißt du das, Graubart?«
»Ich war dabei, Sire, und habe alles gehört.«
»Wo, dabei? Im Salon des Gesandten?«
»Nein, Sire, ich befand mich in einem kleinen Nebenraum, versteckt unter Mylady Markbys Reifrock.«
»Graubart!« sagte der König lachend, »du kommst auch überall hin. Was antwortete Stafford auf Brissacs Ersuchen?«
»Ein klares Nein, Sire. Mylord Stafford verstand sehr wohl, daß in Paris bleiben hieß, Guise anzuerkennen. Die Bitten und verhohlenen Drohungen Brissacs ließen ihn kalt. Er blieb unerschütterlich. Da wurde Brissac plötzlich butterweich und geleitete Mylord Stafford und die Seinen sogar persönlich aus Paris hinaus.«
»Und was denkst du, wie er sich jetzt als Gouverneur in Paris stellen wird?«
»Ich denke, nachdem Mayenne fort ist, wird Brissac wittern, woher der Wind weht, und statt des dornenreichen Wegs der ›Sechzehn‹ und der Liga lieber den Weg wählen, auf dem die Rosen blühen.«
»Also, Graubart, mußt du zusehen, daß die Rosen und er zueinanderfinden.«
»Ich, Sire?«
»Gewiß!«
»In Paris?«
»Gewiß!«
|428| »Und worin, Sire, sollen die Rosen bestehen?«
»Das ist Staatsgeheimnis, Graubart, und das kennt gegenwärtig nur Monsieur de Saint-Luc.«
»Ha, Sire!« sagte ich mit verstohlenem Lächeln, »wenn Ihr mir ein wenig Aufbegehren à la Rosny erlauben wolltet, würde ich fragen: warum Saint-Luc? Und warum nicht ich?«
»Weil Saint-Luc, obwohl Herzbube des seligen Königs, Jeanne de Cossé geheiratet hat, Brissacs Schwester, und Brissac, sonst vorsichtig wie eine Schlange, seinem geliebten Schwager voll vertraut.«
»Sire, wenn Monsieur de Saint-Luc nach Paris geht, wozu soll dann ich nütze sein?«
»Jetzt, da der Waffenstillstand zu Ende ist, Graubart, kann sich Saint-Luc nicht mal mit halber Backe in Paris sehen lassen, ohne ermordet zu werden. Du, Graubart, hingegen kommst durch die Porte Saint-Denis, ohne durchsucht zu werden, dank deinem Gevatter Schreinermeister. Du überbringst also Brissac einen Brief von Saint-Luc, der ihm ein Treffen außerhalb der Nordmauern anbietet, nebst einem Paß von mir. Als Vorwand für das Treffen dient eine Erbschaft, die Madame de Saint-Luc und ihr Bruder sich teilen sollen.«
»Ich verstehe, Sire«, sagte ich, »Saint-Luc ist der Rosenstrauch, Brissac der Gartenliebhaber und ich der Gärtner, der ihn einlädt, die Rosen zu betrachten …«
»Aber …, Graubart?«
»Ich habe nicht ›aber‹ gesagt.«
»Nur gedacht hast du es.«
»Sire, mir scheint, meine Mission bei dem Gartenliebhaber hätte mehr Aussicht auf Erfolg, wenn ich ihm wenigstens eine der Rosen beschreiben könnte. Es würde seine Lust steigern, die anderen Rosen zu sehen.«
»Du hast recht. Also, komm näher und höre.«
Doch kaum hatte der König mir besagte Beschreibung zugeraunt, die mich vor Staunen baff machte, als es an der Tür klopfte wie ein zartes Trommeln, das dem König Sphärenmusik zu sein schien. Der Diener eilte, und ich verschwand augenblicks durch die geheime Tür.
Am Donnerstag, dem 10. März, betrat ich Paris gegen sechs Uhr abends mit Monsieur de La Surie und meinen Leuten, um angeblich eine Fracht Seiden und Samte abzuladen. Doch obwohl |429|
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