Paris ist eine Messe wert
noch lange würfelst oder Karten spielst, wir müssen heute mit den Hühnern schlafen gehen, damit wir morgen bei Kräften sind.«
»Wieso?« fragte Poussevent.
»Weil wir morgen, du Transuse, in Paris einziehen, ohne daß wir Hieb, Stich oder Schuß austeilen. Ich hab es von einem Sergeanten: Da gibt es welche in der Stadt, die uns durchs Buci-Tor heimlich einlassen wollen.«
|84| »Na, gut«, sagte Poussevent, der jedes Wort von Pissebœuf aufnahm wie das Evangelium und wahrscheinlich sogar glaubte, daß Pissebœuf seine Gründe hatte, wenn er ihn »Schafskopf« oder »Transuse« nannte.
»Es heißt«, fuhr Pissebœuf fort, »wenn die Pariser von ihren hohen Mauern unsere massenhaften Truppen sehen, dann scheißen sie sich in die Hosen, daß es zum Himmel stinkt, die Frauen schmeißen sie zum Hause raus und ziehen weiße Laken auf zu unserem Empfang.«
»Ach so«, sagte Poussevent enttäuscht, »also keine Eroberung und alles andere?«
»Holla, Poussevent!« sagte Pissebœuf, plötzlich tugendsam entrüstet, »bist du Christ oder Türke? Außerdem, wenn der König auch Plünderung und Vergewaltigung verbietet, hat er doch nichts von Beute gesagt. Und ich denk mir, wenn man den Händlern vom Pont Saint-Michel den Wanst ein bißchen mit dem Messer kitzelt, rücken sie Seide und Samt zum Preis von Leinwand raus.«
»Bah, Händler!« sagte Poussevent, »eine resche Händlerin will ich!«
»Poussevent! Ich habe Latein gelernt, als ich Meßdiener war«, sagte Pissebœuf mit geheimnisvoller Miene. »Ich hab die Autoren gelesen, und ich weiß.«
»Was weißt du?« fragte Poussevent verblüfft.
»Daß man sich in acht nehmen muß in Paris.«
»Vor was?«
»Vor Maultieren, die lachen, und Weibern, die winken. Weil: Maultiere, die lachen, schlagen aus, und Weiber, die winken, zerfleischen dich mit ihren Nägeln.«
»Cap de Diou!«
sagte Poussevent niedergeschlagen, »du meinst, man kann keinem trauen in dieser Stadt?«
»Keine Bange, Alter«, sagte Pissebœuf. »Die Pariserin an sich zerfleischt nicht. Die beißt eher.«
Kaum war dieser Spruch gefallen, als ein bunter Schwarm von fünf, sechs Pagen in der Livree des Großpriors hereinflatterte und ihnen voraus, als gehe er auf Eiern, Guimbagnette, der, als er mich zwischen den Pferden erspähte, aufgeregt mit seinen Ärmchen wedelte.
»Herr Baron!« rief er mit Flötenstimme, »Ihr hier in diesem Unrat! Bei den Stallknechten! Herr Baron«, fuhr er fort, »der |85| Herr Großprior wünscht Euch nach dem Souper zu sehen. Wollt Ihr mir bitte folgen und Euch diesem pestilenzialischen Gestank entziehen.«
»Besser als euer Pudergestank«, hörte ich Pissebœuf leise sagen.
Unberührt von diesem Partherpfeil, geleitete mich Guimbagnette zur noblen Etage hinauf, in ein mit Purpur und Gold ausgeschlagenes Vorzimmer, von wo ich durch eine halb offene Tür eine große Tafel sah, an welcher viele glanzvolle Herren schwatzten und tranken, und in ihrer Mitte, auf einer Art Thronsessel, saß der Großprior in der Lilien- und Rosenblüte seiner sechzehn Jahre.
»Monsieur Guimbagnette«, sagte ich, indem ich auf einem samtgepolsterten Schemel Platz nahm, den er mir wies, »der Herr Großprior muß sehr reich sein, wenn er so viele Personen auf einmal bewirten kann.«
»Leider, nein, Herr Baron«, sagte Guimbagnette, die kurzen Ärmchen hebend, »leider ist dem nicht so! Der Herr Großprior hat nichts wie Schulden. Er ist äußerst verschwenderisch. Ich fürchte, dieses Souper kostet ihn die halbe Monatspension, die der König ihm großzügig bewilligt, und hätte ich mir nicht etwas beiseite gelegt, sähe es für mich böse aus, der ich mit meinen kleinen Bezügen jetzt bereits ein Jahr im Rückstand bin.« (Da Guimbagnette aber die Gelder des Großpriors verwaltete, war ich mir sicher, daß er von dem goldenen Strom sein Flüßchen abzweigte.)
Von einem Lakaien in blinkender Livree gerufen, entschwand er mit seinem Pagenschwarm, der mir keinen anderen Nutzen zu haben schien, als dem Auftritt und Abgang des prinzlichen Majordomus Glanz zu verleihen. Und allein nun in dem Vorzimmer, erreichten mich durch die angelehnte Tür die lärmenden Reden der Tischgäste, die, wenn auch in höfischer Sprache, das Gleiche sagten, was ich im Pferdestall von Pissebœuf gehört hatte. Alles drehte sich nur um die Einnahme von Paris, die man sich für den nächsten Tag erwartete, und um die Lustbarkeiten, die man sich davon versprach, wofür die Damen und die Habe der Ligisten herhalten
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