Paris ist eine Messe wert
die Tür auf und erblickte mich Seine Majestät, rief er mich auch schon herein und bot mir seine Hand.
»Siorac, mein Sohn«, sagte er, »es freut mich, Euer klares |80| und offenes Gesicht zu sehen! Wie ich hörte, habt Ihr Euch bei Tours und bei Bonneval tapfer geschlagen!«
»Sire«, sagte ich, »in Eurem Adel, ob katholisch, ob hugenottisch, gibt es Hunderte Edelmänner, die bereit sind, für Euch zu sterben.«
»Das ist heute wahr«, sagte der König, indem er mit einverständiger Miene die Anwesenden aus seinen schönen italienischen Augen überschaute. »Gestern war es nicht wahr. Erfolg zieht Erfolg an wie der Magnet die Feilspäne. Noch vor einem Vierteljahr – du weißt es, Siorac – lagen meine Dinge so traurig darnieder, daß man sie als völlig verzweifelt bezeichnen konnte. Ich verlor Städte Tag für Tag. Um mich lichteten sich die Reihen. Und kein noch so wagemutiger Spieler hätte auch nur einen Sou auf meinen Sieg gesetzt. Gott sei Dank hat das Bündnis mit meinem Cousin, dem König von Navarra, alles verändert. Bei Tours, Senlis, Bonneval, Pithiviers und Etampes haben unsere vereinten Truppen die Rebellen geschlagen. Sogar hier, kaum in Saint-Cloud angelangt, nahm ich mit ein paar Kanonen im Handumdrehen die Seine-Brücke, die die Ligisten besetzt hatten. Der gute Sancy hat mir zehntausend Schweizer zugeführt, und bei der Parade, die ich in Poissy abhielt, zählten meine Armeen dreißigtausend Mann, frisch, gesund und gut bewaffnet. Vor allem strömt von überall der Adel herbei, denn es gibt keiner guten Mutter Sohn in Frankreich, der bei der Einnahme von Paris nicht dabeisein will.«
Während der König all dies in seiner wohlklingenden und wohlgesetzten Sprache vorbrachte, wandelte er auf und ab durchs Gemach, doch nicht wie Navarra in kurzen, ruhelosen, sondern in majestätisch ausgreifenden Schritten, das Haupt erhoben und, wie ich sah, durch das aktive, kriegerische Leben, das er jetzt führte, rank und schlank geworden – hatte er in diesen vergangenen drei Monaten doch öfter im Sattel gesessen als auf seinem Thron. Und da ich ihn mit den Augen des Arztes betrachtete, fand ich ihn in so guter Verfassung wie lange nicht, die Miene offen, die Augen heiter, das Antlitz nicht grau, nicht zerfurcht, und die Hand, die er mir bot, frisch und trocken.
Er war derzeit achtunddreißig Jahre alt – seines Alters entsinne ich mich so gut, weil es auch meines war –, und zum erstenmal, seit ich Seiner Majestät im Jahr vierundsiebzig ansichtig geworden war, erschien er mir jünger, als er war, und energischer, |81| und aus seinen schönen Augen sprach leuchtend die Zuversicht, bald als Sieger in das »undankbare Paris« heimzukehren, das ihn vor vierzehn Monaten aus seinen Mauern vertrieben hatte, aber das er, wie er sagte, »mehr liebte als seine Gemahlin«.
Hoffnungsfreudige Worte wurden auch vom Marschall von Biron und von François von O gesprochen, als Du Halde Seiner Majestät meldete, daß der Gesandte der Königin Elisabeth zur Audienz erschienen sei. Und als ich mich dem Strom derer anschloß, die das Gemach verließen, sandte mir der König ein Lächeln.
»Siorac, mein Sohn«, sagte er, »da Quéribus nicht hier weilt, könnt Ihr bei meinem Neffen, dem Großprior, wohnen.«
Welch ein Zeichen seiner königlichen Huld! Beim Großprior sollte ich wohnen, der, wenn auch Bastard, doch ein Sohn Frankreichs war! Ehe ich meinen Dank stammeln konnte, stand ich für Sekunden starr, indem ich den König mit ungläubigem Staunen anblickte und ihm, über Worte hinaus, meine grenzenlose Liebe zu bekunden suchte. Was er auch wohl verstand, denn abermals schenkte er mir sein gnädiges Lächeln, welches mir bis heute, da ich dies schreibe, unauslöschlich in Erinnerung ist. Nach seiner Gewohnheit stand Heinrich in jenem Augenblick schlank aufgerichtet vorm Kamin, die Rechte flach auf dem Marmorsims, die Linke in die Hüfte gelegt, auf dem Haupt das gewohnte Barett mit schimmernder Agraffe, und gekleidet in ein Wams aus violettem Satin, welche Farbe er seit dem Tod seiner Mutter nicht mehr abgelegt hatte, sogar sein Gemach war zum Zeichen der Trauer mit violettem Tuch ausgeschlagen. Und nach den bedrückenden und düsteren Zeiten seiner Ächtung erschien er mir in seiner königlichen Reglosigkeit so heiter, so stark und so voller Vertrauen in seinen nahen Triumph, daß mir das Herz vor heller Freude gegen die Rippen pochte. Mein armer, geliebter Herr! Nicht lange, und er war tot.
Ach, Leser!
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