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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Unmöglich könnte ich in dieser Erzählung fortfahren, wenn du bei jedem Buchstaben, den ich hier mit zitternder Tinte niederschreibe, nicht die dabei vergossenen Tränen spürtest.
    Dabei war ich an jenem Abend wie jedermann in Saint-Cloud vergnügt und froh. Als ich den Palast Gondi verließ, lief ich eine recht steile Straße (denn das Dorf Saint-Cloud lag auf |82| einem Hügel über der Seine) zum Haus des Großpriors hinunter, wo mich der Haushofmeister empfing, ein sehr beleibter, doch ein wenig kurz geratener Herr, Mann nach den Kleidern, Weib nach Stimme und Betragen, welcher sich Guimbagnette nannte und sagte, daß er durch einen Lakaien den mich betreffenden Befehl des Königs erhalten habe und mich samt Suite und Pferden zu meiner völligen Zufriedenheit logieren werde. Sein Herr, der Großprior, soupiere gerade mit vierzig hohen Herren der Armee und stelle mir frei, mich ihnen zuzugesellen oder aber, wenn ich müde sei, das Mahl auf meinem Zimmer einzunehmen. Und nachdem ich geantwortet, daß ich mir letzteres nach langem Tagesritt vorzöge, überließ ich die Pferde meinen Pagen und Arkebusieren und stieg hinauf zu den Gemächern, wobei der zierliche Miroul, der mir mit Saint-Ange folgte, sich alle Mühe gab, mit dem langbeinigen Junker Schritt zu halten, damit der ihn ja nicht überhole. Während Guimbagnette mich führte, schwatzte er die ganze Zeit wie zehn Gevatterinnen, wohl um damit zu prahlen, daß er einem Prinzen diente, dem Sohn Karls IX. und der Marie Touchet.
    »Herr Baron«, sagte er in affektiertem Ton und indem er seltsam graziös Hände und Ärmchen schwenkte, »verwundert es Euch nicht, daß wir heute abend nicht mit dem König speisen?« (Mit dem »wir«, nahm ich an, meinte er seinen Herrn.)
    »Sollte es mich denn verwundern?« fragte ich, die Brauen wölbend.
    »Unbedingt, Herr Baron«, sagte Guimbagnette mit einem höflichen Lächeln, das eine Spur von Herablassung verriet. »Als natürlicher Sohn Frankreichs haben wir die Ehre und das Privileg, allabendlich mit Seiner Majestät zu speisen.«
    »Heute abend«, fragte ich gefällig, denn ich lauschte immer gerne und geduldig, wenn man mich etwas lehren wollte, »heute abend ist also eine Ausnahme?«
    »Neinneinnein, Herr Baron«, erwiderte Guimbagnette in höchsten Tönen und mit Schmollmündchen, »der König hat es gleich so verfügt, als er ins Feldlager kam.«
    »Ah!« sagte ich voll geheuchelten Interesses für diesen Etikettepunkt, »ist das nicht sonderbar und ungewöhnlich?«
    »Sonderbar und ungewöhnlich wäre es, Herr Baron«, sagte Guimbagnette, mit jeder Minute mehr beglückt, einen so aufmerksamen Zuhörer zu finden, »kennte man nicht den Grund.«
    |83| »Den Ihr, Monsieur, natürlich kennt«, sagte ich mit kleiner Verneigung.
    »Den ich allerdings kenne«, sagte Guimbagnette voll höchster Wichtigkeit und indem er, wohlig ächzend, seinen Bauch vor sich her schob. »Wünscht der Herr Baron ihn zu wissen?«
    »Unbedingt.«
    »Nun, Seine Majestät soupiert heute abend mit dem Marschall von Biron, welchen er ›mein Vater‹ nennt, wobei er ihn tagtäglich daran erinnert, daß er ihn als erster im Waffenhandwerk unterwies.«
    »Ich dachte«, sagte ich, »der erste Waffenmeister Seiner Majestät war der Marschall von Tavannes.«
    »Ganz recht, Herr Baron«, sagte Guimbagnette in mutwilligem Ton und indem er die Lippen schürzte, wie um nicht loszuprusten, »Tavannes war in der Tat der erste Waffenmeister des Königs, als er noch Herzog von Anjou war. Jedoch«, setzte er hinzu, indem er mich von der Seite schelmisch anblinzte, »jedoch, Herr Baron … Jedoch«, fuhr er mit erneutem Äugeln und Zwinkern fort, »der Herr Marschall von Tavannes ist tot, und der Herr Marschall von Biron ist am Leben. Das ist es!«
    Hierauf brach er in ein Gelächter aus, als quieke und kreische ein ganzes Nonnenkloster.
    Zu der Mahlzeit in meinem Zimmer nahm Miroul rasch den Platz an meiner Rechten ein, damit Saint-Ange nur der linke bliebe, was aber der Junker gar nicht bemerkte, weil er wie gewöhnlich träumte und sann. Dann ging ich, mich zu vergewissern, ob meine Tiere gut versorgt wurden. Und kaum hatte ich den Marstall betreten, der in ganzer Länge in Boxen unterteilt war, damit die Pferde einander sehen, aber nicht beißen und treten konnten, als ich Pissebœuf und Poussevent, die meine Stute emsig striegelten und bürsteten, einen Dialog führen hörte, ohne daß sie mich sahen.
    »Sieh zu«, sagte ersterer, »daß du nachher nicht

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