Paris ist eine Messe wert
finden.«
Bevor ich die nun folgenden Seiten schrieb, wandte ich viel Fleiß und Mühe auf, der Wahrheit über diesen seltsamen Mönch habhaft zu werden, soweit dies noch irgend möglich war, weil er in der Wirrnis und dem Zorn nach seinem feigen Attentat auf meinen geliebten Herrn in Stücke gehauen wurde und der Prozeß nur mehr seinem Leichnam gemacht werden konnte, der die Einflüsse und Einwirkungen ja nicht zu bekennen vermochte, |90| die ihn dahin getrieben hatten. Doch steht außer jedem Zweifel, daß die Liga und die Guises die Hand im Spiel hatten und daß sie durch diese Gewalttat zugleich die Exekution ihres Oberhauptes rächen und der königlichen Sache einen furchtbaren Schlag versetzen wollten.
Dieser Jacques Clément, um ihn denn beim Namen zu nennen, hatte ein Jahr zuvor im Jakobinerkloster zu Sens die Gelübde abgelegt und war nach Paris gekommen, um im Collège der Rue Saint-Jacques Theologie zu studieren. Obwohl nicht dumm, schluckte er dennoch unverdaut jede der wütenden Pariser Predigten gegen den »Tyrannen« Heinrich von Valois, die tagtäglich von den Kanzeln herab ertönten und den König dafür verdammten, daß er den Herzog von Guise durch seine »Fünfundvierzig« hatte töten lassen und ein »un reines « Bündnis mit Navarra eingegangen war, dem »Ketzer und Rückfälligen«. Angesteckt und entflammt von dieser steten heiligen Wut, hielt Jacques Clément vor den anderen Mönchen seines Klosters lodernde Reden, verkündete, daß der Tyrann sterben müsse, daß er von keiner anderen als seiner Hand verröcheln werde, und er gebärdete sich so wild entschlossen, daß seine Brüder den kleinen und kränklichen Frater auslachten und ihn ob seiner blutrünstigen Prahlereien als »Haupt mann Clément« verspotteten.
Nun war aber unter diesen Klosterbrüdern einer, Chantebien mit Namen, der wie Clément von Sens gekommen war und der seinem Mitbruder, welcher immer hinter dem Hochaltar der Kapelle betete, vermittels eines Sprachrohrs »überirdische« Stimmen zu Gehör brachte, die ihm befahlen, sich für die Märtyrerkrone zu bereiten, denn der Herr habe ihn als denjenigen auserkoren, durch dessen Schwert der Tyrann fallen müsse.
Diese Stimmen hörte Clément von Stund an auch in seinen schlaflosen Nächten, und immer war da etwas, das ihn stachelte und zu ihm sprach: Geh, Bruder Jacques, und vollbringe die Tat!
Aus Gewissensskrupeln, die Rechtlichkeit des ihm befohlenen Mordes betreffend, eröffnete sich Clément zweimal dem Prior Emile Bourgoing, welcher ihm nacheinander gegensätzlichen Rat erteilte.
Beim erstenmal behauptete Clément, daß jemand in der Beichte sein Vorhaben bekannt habe, Heinrich von Valois auszulöschen, |91| daß er es aber nicht tun wolle, ohne die Meinung der Kirche zu hören.
»Mein Sohn«, antwortete Bourgoing hierauf, »der Jemand macht sich einen Spaß. Denn hegte er besagten Plan, würde er kaum darüber sprechen.«
Als Clément aber einige Zeit später auf die Sache zurückkam, und wiederum im Namen seines vorgeblichen Beichtkindes, gab ihm der Prior eine andere Antwort.
»Mein Sohn«, sagte er, »versichert Euer Beichtkind im Namen Gottes: Wenn er dies nicht aus Rache in eigener Sache und aus privatem Interesse tut, sondern allein zur Ehre Gottes, seiner Religion und zum Wohle des Vaterlands, so muß er nicht fürchten, sein Gewissen zu belasten, er wird sich, im Gegenteil, hochverdient machen. Und es besteht kein Zweifel, daß er im Tode gerettet und der Glückseligkeit des Paradieses teilhaftig werden wird.«
Bourgoings heuchlerische Ermutigung verwundert nicht, wenn man den Mann kennt: Doktor der Theologie, ehemaliger Provinzial seines Ordens, eifriger und erbitterter Ligist, so daß er, als Navarra im November 1589 Paris angriff, sich nicht scheute, die Kutte abzuwerfen und mit der Arkebuse in der Hand in den Gräben gegen ihn zu kämpfen – wo er allerdings von den Königlichen ergriffen, nach Tours verbracht, vom Gericht wegen Komplizenschaft mit Jacques Clément zum Tode verurteilt und von vier Pferden zerrissen wurde.
Doch war dieser Eiferer auch ein kluger Mann, der sich zwischen Cléments erstem und zweitem Geständnis wahrscheinlich gesagt hatte, daß dieser schmächtige Frater, den das ganze Kloster für einen Narren und Geisterseher hielt, der Liga nützlich sein könnte, um jenes große Ziel zu erreichen, das sämtliche Pfaffen der Hauptstadt in jeder Messe forderten: den Tod Heinrichs von Valois.
Nun, wenige Tage, nachdem dieses
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