Paris ist eine Messe wert
sollten, welch erstere man zu verführen und welch zweite man zu plündern gedachte. Und was die Damen anging, scheute man sich nicht, sogar Namen zu nennen, so als hätte sich jeder schon im voraus eine reserviert; und die Herren schraken |86| nicht vor Deftigkeiten zurück, die meinen Leserinnen die Schamröte ins Gesicht treiben würden. Der einzige Unterschied zu meinen Pferdeknechten war, daß einige der Tafelnden mit gedämpfter Stimme auch vorsichtig und heuchlerisch debattierten, welche Ernennungen der König, wäre er erst wieder Herr seiner Hauptstadt, zu diesem oder jenem Amt oder Gouvernement wohl vornehmen dürfte, um einige Getreue zu belohnen, die ungeduldig darauf warteten. Ha, Pissebœuf und Poussevent, dachte ich, was seid ihr doch für brave Seelen! Ihr schachert nicht und gebt eure Königstreue für ein karges Stück täglich Brot, gebt eure Tapferkeit, eure Wunden und womöglich euer Leben.
Zu meiner Überraschung war Guimbagnette bald wieder da, doch nicht allein, mit ihm kamen Hauptmann Larchant, der Marschall von Biron, die Herren von Clermont und d’Entra gues und – wer anders als der König!
»Wie viele Gäste sind denn dort bei Tisch, daß sie einen solchen Lärm machen?« fragte er und warf nur einen kurzen Blick durch die angelehnte Tür, um von drinnen nicht gesehen zu werden.
»Vierzig, Sire«, sagte Guimbagnette.
»Seht Ihr, mein Vater«, sagte der König zum Marschall von Biron, »so verzehrt der Großprior mein Vermögen, doch er verzehrt es nicht allein.«
Worauf der Marschall, Larchant, Clermont und d’Entragues lachten, was ich mir erlaubte, etwas unpassend zu finden, denn schließlich warteten Sancys Schweizer noch immer auf ihren Sold.
»Guimbagnette«, sagte Heinrich leise zu dem Majordomus, der vor Stolz errötete, daß der König sich seines Namens entsann, »wenn das Souper beendet ist – aber nicht vorher –, sagt Ihr meinem schönen Neffen, er möge zu mir in den Garten kommen, allein. Ich meine, mit Monsieur de Siorac«, setzte er mit freundlichem Blick auf mich hinzu. »Aber wartet, Guimbagnette, bis mein Neffe gespeist hat. Ich möchte ihn um nichts beschneiden. In seinem Alter ißt man viel.«
»Ha, Sire!« sagte Guimbagnette, ins Knie fallend, »wer wagte es, Seine Majestät warten zu lassen?«
»Seine Majestät wird nicht zu beklagen sein«, sagte Heinrich mit charmantem Lächeln, »er ist in Gesellschaft des Herrn Marschalls und dieser Herren.«
|87| Hierauf begab sich der König in den Garten, der sehr schön war, wie Guimbagnette mir zu erzählen wußte, denn er hatte einem Domherrn gehört, der ihm mehr Zeit widmete als seinen Gebeten. Des weiteren erging sich der Majordomus in Preisungen des Königs, seines Zartsinns und seiner Großmut gegenüber dem geliebten Neffen, die mich so beglückten, daß ich den dicken kleinen Mann viel weniger lächerlich fand und ihm sogar den vermuteten Abzweig der Gelder verzieh, die er zugunsten seiner »kleinen Bezüge« vor dem Abgrund der Verschwendung rettete.
Entzückend jung und schön in seinem hellblauen Seidengewand, die Wangen vom Wein gerötet, die schwarzen Haare erlesen geringelt, betrat der Verursacher dieses Abgrunds das Vorzimmer. Guimbagnette näherte sich ihm mit tiefer Verbeugung, in die er gleichwohl eine Art Vertrautheit legte, als er ihm sagte, wer ich sei und daß der König ihn im Garten erwarte. Worauf der Großprior mir liebenswürdig den Kniefall verwehrte, mir die Hand reichte und sagte, daß er wisse, welche vorzüglichen Dienste ich seinem geliebten Onkel und Gebieter sowohl in der Zeit vor den Barrikaden wie auch im gegenwärtigen Krieg geleistet hätte, und daß es ihm eine große Ehre sei, mich zu Gast zu haben.
Hierauf ging er in den Garten hinunter, der in der Tat wunderschön war, voller Blumen, deren manche köstlich dufteten und die durch Laternen in ein feenhaftes Licht getaucht wurden, denn die Julinacht war schon hereingebrochen. Der Pfad, den wir gingen, stieg sacht zu einer großen Terrasse an, von wo man auf eine Schleife der Seine hinabblickte (die aber nur durch die erleuchteten Segler darauf zu erahnen war), und in der Ferne sah man die Lichter von Paris, denn innerhalb seiner Mauern unterhielten die Belagerten große Feuer, um sich gegen nächtliche Angriffe zu wappnen.
Auf die Brüstung der Terrasse gestützt, sprach der König mit dem Marschall von Biron. Die Truppen, sagte er, sollten streng geordnet in Paris einziehen, ohne die Einwohner irgend zu belästigen.
Weitere Kostenlose Bücher