Paris ist eine Messe wert
Gesicht die zehn Gebote Gottes eingeschrieben, schied ich von meiner Frau Gemahlin, sammelte mein Gefolge und blies zum Aufbruch, um mich so schnell wie möglich zum königlichen Heer zu begeben, zu kämpfen und zu sterben.
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|142| FÜNFTES KAPITEL
Ich verließ Chêne Rogneux an besagtem Tag, doch ging ich nicht geradewegs zum königlichen Heer, denn einerseits stellte sich heraus, daß mein Arm, obwohl er gut ausgeheilt war, den Degen noch nicht wieder recht handhabte, die Muskeln waren erschlafft und die Gelenke eingerostet. Andererseits erfuhr ich, gerade im Aufbruch, daß auch mein Vater im Dienst des Königs verwundet worden war und zu seiner Genesung auf Burg Mespech weilte.
Also beschloß ich, zunächst ins heimatliche Périgord zu reiten, und nahm meinen Weg über Chartres, wo ich Monsieur de Saint-Ange und seine Eltern gesund und munter fand. Als ich Saint-Ange wegen seiner Ausrede ein wenig aufzog, verdüsterten sich seine blauen Augen, doch ich umarmte ihn und sagte, daß ich sehr gut verstünde, wieso er von Chêne Rogneux geflohen war, und daß ich ihn in der Hinsicht für unschuldig hielte wie ein neugeborenes Kind. Worauf er tief errötete und stumm blieb, und als ich mit Miroul unsere Leute zusammentrommelte, die sich in der Stadt bei Wein oder Weib vergnügten, dachte ich, daß ich den Herrgott wohl einmal bitten müßte, Saint-Ange zu einem guten Mädchen zu verhelfen, damit der arme schöne Junge nicht mehr so leide.
Nach diesem Abstecher in Chartres machte ich einen zweiten in Châteaudun: sicherlich errät meine schöne Leserin, warum. Doch der süße Traum, daß meine seelichen Wunden dort Pflege von zarter Hand erführen, zerstob. Ich betraf die schöne Kaufmannswitwe sehr anders, als ich sie verlassen hatte, und ihre schönen Goldaugen – die schönsten und größten, die ich je gesehen – vergönnten mir nur mattes Licht, weil sie, wie es gleich ihre ersten Worte erkennen ließen, nunmehr einem anderen Lande leuchteten. Kurzum, sie rückte bei unserer gezwungenen Begegnung bald damit heraus, daß sie sich wieder verheiraten und ihrem Mann treu sein wolle. Und kommt einem eine Frau mit dem magischen Wort Heirat und |143| man ist nicht derjenige, den sie heiraten will, bleibt einem nichts weiter übrig, als sich schweren Herzens aus dem Staube zu machen.
Also spornte ich meinen Pegasus und legte den Weg in mein heimatliches Périgord so schnell zurück (zum großen Leidwesen meiner Leute, die sich in den guten Herbergen gern länger verweilt hätten), daß ich nicht einmal vierzehn Tage später die Türme von Mespech erblickte, dann seine drei Zugbrücken, dann seine Insel und endlich den Weiher, der es mit seinen schützenden schwarzen Wassern umschloß.
Ich hatte meinem Vater meine Ankunft melden lassen, traf jedoch vor meinem Sendschreiben ein, so daß der Baron von Mespech mich voll größter Überraschung und Freude an der Spitze meines stattlichen Gefolges auftauchen sah, das nicht weniger als zwölf Köpfe zählte, denn außer Miroul, Saint-Ange, Pissebœuf, Poussevent und meinen beiden Pagen hatte ich noch die sechs Arkebusiere bei mir, die Monsieur de Rosny mir zu unserer Sicherheit geliehen hatte.
Mein Bruder François, der Baron von Frontenac, zog ein schiefes Gesicht, als er eine so große Gesellschaft ins Haus einziehen sah, denn ein so eifriger Papist er auch geworden war, hielt er doch fest an der anerzogenen hugenottischen Sparsamkeit. Bei seinen ersten bitteren Worten verschloß ihm aber mein Vater den Mund, indem er ihn knauserig und knickerig schalt und ihn daran erinnerte, daß es nur einen Herrn auf Mespech gebe, da er selbst noch am Leben und anwesend sei.
Und damit meine Soldaten nicht üblem Müßiggang nach Soldatenart verfielen, drohte ich ihnen mit dem Strick, sollten sie die Bewohner unserer Dörfer und Gehöfte drangsalieren oder gar einem Weib Gewalt antun, und befahl sie sogleich zu Feldarbeiten und zum Wegebau, und als es Winter wurde, zur Wolfsjagd, weil die grauen Räuber sich in unseren Wäldern stark vermehrt hatten und auf abgelegenen Höfen großen Schaden für Mensch und Tier anrichteten. Auf diese Weise verdienten meine Arkebusiere redlich ihr tägliches Brot und stiegen so sehr in der Achtung der Dörfler, daß einer unserer Pächter mich bei meinem Aufbruch sogar um die Hand einer meiner Männer für seine Tochter bat.
Ich fand meinen Vater frisch und gut bei Kräften, auch wenn er, wohl in Erinnerung an seinen armen Sauveterre, das
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