Paris ist eine Messe wert
großen Liebe wiederzufinden.
Als ich Fogacer meine Entdeckung am nächsten Tag mitteilte, war auch er herzlich froh, daß unser beider Befürchtung zerstoben war. Aber woher, fragte er, mochte die unbegreifliche Veränderung in Angelinas Wesen dann rühren? Er weigerte sich entschieden, sie auf übernatürliche Gründe zurückzuführen – etwa daß die tote Larissa, wie Angelina selbst fürchtete, in ihren Körper geschlüpft sei und ihr die Seele geraubt habe. Humbug sei das, Aberglauben, Gespensterseherei und dumpfer Wahn, schimpfte er zornig und fuchtelte mit seinen Spinnenarmen.
»Es ist unstreitig«, sagte er, »daß die jetzige Angelina in ihrem Betragen eher der toten Larissa gleicht, aber es muß eine vernünftige Erklärung dafür geben. Vielleicht«, setzte er nach einer Weile Schweigen hinzu, »hat diese Veränderung einfach mit ihrem Alter zu tun: Sie nähert sich allmählich ihrer unfruchtbaren Lebensphase, und dieser Umbruch kündigt sich an in Wut und Narretei.«
»Wut und Narretei«, leider war das die Wahrheit, und deren Auswirkungen erschütterten täglich den Frieden in meinem Haus. Eines Abends in unserem Zimmer dann beschuldigte Angelina mit zornblitzenden Augen und verzerrtem Mund meinen Junker Saint-Ange, er habe es ihr gegenüber an Ehrerbietung fehlen lassen. Ich konnte es nicht glauben und sagte es ihr rundheraus, so unwahrscheinlich dünkte mich die Anklage dieses jungfräulichen Hippolyte, dessen Angst vor Frauen ich von tausend Beispielen her kannte und die so weit ging, daß er sich in meinem Haus nicht einmal getraute, eine Magd um Wein anzusprechen. Und daß Monsieur de Saint-Ange der Angegriffene und nicht der Angreifer war, bestätigte sich vollends am nächsten Morgen, als der Junker mich mit niedergeschlagenen Augen und zitternder Stimme um Urlaub bat, er wolle seine Eltern besuchen, sagte er, die alt und gebrechlich seien, und vor allem erbat er meine Erlaubnis, bis zu meiner völligen Genesung und Rückkehr zum königlichen Heer bei ihnen bleiben zu dürfen. Was ich ihm sogleich bewilligte, weil ich begriff, daß |136| der arme Junge in Wahrheit floh wie Joseph in der biblischen Geschichte vor der Frau des Potiphar.
Allerdings hatte ich keinen Beweis für eine Schamlosigkeit meiner Gattin, und Monsieur de Saint-Ange als vollkommener Edelmann wäre der letzte gewesen, der ihn mir beigebracht hätte. Also entschloß ich mich, nicht die ganze Tonleiter auszuschreiten, sondern die leisen Noten zu spielen, indem ich Angelina Kälte bezeigte und mein Nachtlager von nun an in meiner Bibliothek aufschlug.
Unsere Spannungen waren an dem Punkt, als ein weiterer meiner Leute um seinen Abschied bat. Es war Miroul, der sich hierzu entschlossen hatte, so glücklich er auch war, nach dem Fortgang von Saint-Ange nicht nur meine Pagen, sondern auch meine Soldaten regieren zu können.
»Herr Baron«, sagte Miroul, und sein blaues Auge schien mir dies eine Mal denselben traurigen und untröstlichen Ausdruck zu haben wie sein braunes, »es drückt mir das Herz, aber ich muß Euch sagen, daß ich Euch mit Florine verlasse, entweder um mich im Périgord oder im Bordelais niederzulassen.«
»Ha, Miroul!« sagte ich, »das hast du mir schon tausendmal angedroht. Mußt du es ausgerechnet in diesen Tagen wiederholen, da du mich so geplagt siehst in meinem wankenden Hausstand?«
»Es tut mir leid, Moussu«, sagte Miroul, indem seine Augen sich mit Tränen füllten, »diesmal gilt es, denn es geht nicht um mich, sondern um meine Florine: Sie will keine Minute länger im Dienst Eurer Frau Gemahlin bleiben, weil sie tagtäglich gerüffelt, gepiesackt und sogar geschlagen wird.«
»Geschlagen?« rief ich ungläubig und sprang auf. »Geschla gen von der sanftmütigen Angelina? Weißt du das gewiß, Miroul?«
»Leider ja, Monsieur, tagtäglich sehe ich Spuren von Kniffen oder Tritten an Florine, sie ist von Ohrfeigen geschwollen, sogar mit Nadeln wird sie gestochen, wenn sie Frau Angelina schminkt oder frisiert. Und gestern warf Eure Frau Gemahlin das Brenneisen nach ihr, weil sie es zu heiß fand, zum Glück hat es sie nicht getroffen.«
»Was?« rief ich entrüstet und lief in meiner Bibliothek auf und ab. »So weit ist es gekommen!« Sicherlich wußte ich, daß so manch hohe Dame, die ich beim Namen nennen könnte, ihre |137| Kammerfrauen ungescheut mißhandelte. Aber niemals war derlei Brauch gewesen auf Mespech, höchstens vielleicht zu Zeiten meiner seligen Mutter, auch auf Barbentane bei
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