Paris ist eine Messe wert
können.
»Deine Zunge, kleine Babille«, sagte ich, »schmeckt tatsächlich sehr plapprig.«
»Moussu«, sagte sie und sah mich halb einfältig, halb belustigt an, »ist das eine Krankheit?«
»Eine schwere«, sagte ich ernst. »Ich kann sie aber heilen, auf die Weise nämlich, die du soeben erlebt hast – Anwendung täglich.«
»Ah!« sagte sie mit einem Blitzen in den schwarzen Augen, »damit ich singe?«
»Jeden Morgen.«
»Ich weiß aber nicht, Moussu lou Baron, ob ich jeden Morgen singen will.«
»Und warum nicht?«
»›Vögel, die früh singen, holt abends die Katz.‹«
Dieses Sprichwort wird den Mädchen im Sarladais schon mit der Muttermilch eingetrichtert und im Lauf der Jahre unaufhörlich wiederholt, damit sie, wenn ein Verehrer ihnen zu nahe auf den Leib rückt, nicht dastehen wie angenagelt. Nun, wer wie angenagelt stand, war ich, als sie mit mutwilligem Blinzen vor mir knickste und im Nu zur Tür hinaus war. Verflixt! dachte ich, da habe ich sie fangen wollen, aber anscheinend hat sie mich geködert?
»Babille«, sagte ich eines Tages, »Spaß beiseite. Willst du nun endlich, daß ich dich heile?«
»Nein, Moussu lou Baron«, sagte sie, während ein Schauer die kleine Gestalt überlief, der dieses Nein verneinte, »wozu heilen, was gesund ist?«
»Damit es noch gesünder wird.«
|147| »Oder dicker. ›Oft weint ein Mädchen, das vorm Jahr gelacht‹.«
»Warum solltest du dann weinen, Babille? Denkst du, dann ließe ich dich im Stich?«
»›Mund an Mund im ersten Jahr. Arm in Arm im zweiten. Und im dritten: Mach dich fort!‹«
»Babille, kannst du nur in Sprichwörtern reden? Siehst du nicht, daß ich große Lust auf dich habe?«
»›Frisch gelegte Eier und Mädchen von fünzehn sind leckere Sachen.‹«
»Zum Teufel mit deinem Geplapper, Babille!« sagte ich stirnrunzelnd, »weißt du nicht, daß ich dich zwingen kann? Es ist mein Recht. Wer hätte etwas dagegen?«
»Ja, ich!« sagte die Kleine und fuhr wie ein Schlänglein zu ihrer vollen Kleinheit auf. »Außerdem werden Mädchen auf Mespech nicht gezwungen, ein so großer Hahn Euer Herr Vater auch ist. Sonst hätte mein Vater mich nicht hierher gegeben.«
»Babille«, sagte ich zornig, »es ist eine Scham und Schande, wie du über den Baron sprichst.«
»Warum denn? Ist es nicht Lob für einen Hahn, daß er ein Hahn ist? Hüten müssen sich nur die Hennen.«
»Ohne Hahn keine Kücken.«
»Kücken, Moussu! Daran denk ich noch nicht. Ich bin Jungfrau.«
»Einmal muß man anfangen, Babille.«
»Ja, mit meinem Mann.«
»Der dich dann schlägt.«
»Seine Sache.«
»Die Pest über dieses widerspenstige Weib!« sagte ich und kehrte ihr den Rücken. »Gib es doch zu: in Wahrheit bin ich dir zu alt.«
»›Was tut’s, daß der Bock alt ist, ist nur die Ziege bereit.‹«
»Was sagst du?« rief ich, kam und legte ihr beide Hände auf die Schultern, »die Ziege ist bereit?«
»Nun ja«, sagte sie, ohne unter meinem Griff zu rucken, indem sie mir kühn in die Augen sah, »unter vier Bedingungen.«
»Sieh an!« sagte ich, »die Festung verhandelt, eh sie sich ergibt! Also, laß hören!«
»Erstens, ich bin die einzige auf Mespech, die hier Euer Bett macht. Zweitens, wenn ich schwanger werde, wird das Kleine |148| im Schloß aufgezogen. Drittens, Euer Herr Vater verheiratet mich, wenn Ihr fortzieht, wie er es mit der Gavachette gemacht hat.«
»Und viertens?« fragte ich.
»Viertens, der Herr Baron schenkt mir einen Goldring, größer und schöner als der von der Gavachette.«
Beim Ochsenhorn! Diesen Goldring hatte ich Narr der Gavachette 1572 aus Paris mitgebracht – Babille war noch gar nicht geboren –, und noch nach siebzehn Jahren redete das Dorf davon!
»Babille«, sagte ich, »bist du habgierig?«
»Nein, Moussu. Aber ich habe meinen Stolz, mein Vater hat einen schönen Hof, und ich bin kein Zigeunerkind wie die Gavachette. Und wenn im Dorf Feste sind, will ich nicht geringer angesehen sein als sie, sondern besser.«
Lachend, weil unsere Leute offenbar genauso von Ehrsucht geplagt wurden wie die am Hof, genehmigte ich Babilles erste und vierte Bedingung, wegen der zweiten und dritten, die nicht von mir abhingen, mußte ich erst den Herrn von Mespech fragen. Der, kaum daß ich zu sprechen begann, in Lachen ausbrach.
»Bei Sankt Antons Bauch!« sagte er, »ich bin froh, mein Herr Sohn, daß Babille Euch gefällt, und umgekehrt. Sie ist ein gutes Mädchen, und wenn sie Euch ein schönes Kind gebärt, wird es
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