Paris ist eine Messe wert
Ring, den ich von meinem kleinen Finger streife, von Euch den Dolch mit dem Silbergriff, den Ihr unter Eurem Kopfkissen versteckt.«
»Ach, Monsieur«, sagte sie seufzend und mit halbem Lächeln, »Ihr seid ein schlechter Kaufmann, wenn Ihr einen so hübschen Goldreif mit Rubin gegen den kleinen Dolch tauschen wollt, dessen Griff nicht einmal aus reinem Silber ist, sondern nur aus versilbertem Messing.«
»Madame«, sagte ich und schlug die Augen nieder, damit sie mich nicht verrieten, »es geht nicht um den Warenwert. In sieben Nächten, die ich brüderlich an Eurer Seite schlief, Kopf an Kopf auf demselben Kissen, war dieser Dolch gleichsam der stumme Zeuge meiner Träume, und er wird sie mir wachrufen, wann immer mir die Erinnerung an Eure wunderbaren Augen wiederkehrt.«
|191| »Ha, Monsieur«, sagte sie, »das ist sehr schön gesprochen, und aus ganzer Seele.«
Rasch wandte sie sich ab, vielleicht, um mir ihre Röte zu verbergen, und ging, den Dolch unter ihrem Kopfkissen hervorzuholen. Gefaßt übergab sie ihn mir, worauf ich den kleinen Rubinring an ihren Finger steckte.
Einen Moment war ich versucht, ihre warme Hand in meiner zu behalten, doch wußte ich nicht, wohin das führen würde, und ließ sie los.
»Madame«, sagte ich ernst, »ich hoffe, daß mit diesem kleinen Dolch auch der Gedanke, der daran geknüpft war, Euch auf immer verläßt, und wenn Ihr erlaubt, bitte ich Euch, es mir zu versprechen.«
»Monsieur, ich verspreche es!« sagte sie. »Ich verspreche es fest! Ihr habt mich ganz davon bekehrt. Aber, versprecht auch Ihr mir, mich wieder zu besuchen, wenn Ihr könnt, denn Freundschaft, wißt Ihr, nährt sich vom Anblick des Freundes, und stirbt, ist sie seiner beraubt.«
Ich versprach es, auch daß ich ihr von Paris schreiben würde, wenn möglich, dann schied ich mit klopfendem Herzen, wußte ich doch nicht, ob das Vipernnest, in das ich mich nun begab, mich lange genug am Leben lassen würde, um sie wiederzusehen.
Von Mantes hatte ich meiner lieben Alizon geschrieben, sie solle mir in der Hauptstadt ein Haus mieten, denn ich wollte sie nicht in Gefahr bringen, indem ich noch einmal bei ihr wohnte. Und als ich der Vorsicht halber, wie schon in Châteaudun, bei Dunkelwerden in der Stadt eintraf, geleitete meine kleine Feuerfliege mich nach tausend Umarmungen und Küssen denn auch gleich in ein angenehmes, geräumiges Haus an der Porte Saint-Denis, in der Rue der Filles-Dieu, neben dem Nonnenkloster gleichen Namens. Sein Besitzer, ein Monsieur de Férot, sehr betucht und von Amtsadel, hatte sich kürzlich in sein normannisches Landhaus zurückgezogen unter dem Vorwand, daß seine Lunge angegriffen sei, in Wirklichkeit aber, weil er die Belagerung der Hauptstadt kommen sah und sich vor der Hungersnot retten wollte, die unfehlbar daraus folgen würde.
Ich behielt meine Alizon zum Abendessen und zum Schlafen |192| in meiner neuen Bleibe, damit sie, wenngleich von meinen Leuten begleitet, im nächtlichen Paris nicht in Lebensgefahr geriete, wußte ich doch, wie viele Strolche hier durch die Straßen strichen, sobald es schummerte. So konnte ich sie denn nach unserem Mahl in aller Muße fragen, wie es in der Hauptstadt stand.
»Wahr und wahrhaftig, Pierre!« sagte meine kleine Feuerfliege, hübsch und sprudelnd wie je mit ihrem Pariser Akzent, den ich so gern aus ihrem flinken Mundwerk hörte. »Schlim mer kann es kaum werden, der dicke Mayenne hat sich in Ivry doch dermaßen von Navarra verwamsen lassen, daß er sich nicht mehr traut, seine dicke Nase in Paris zu zeigen! Jetzt gibt sein Halbbruder hier den Ton an, der Herzog von Nemours, ein Springinsfeld von knapp zwanzig, und die Pariser Wehr befehligt sein Vetter, der Chevalier d’Aumale.«
»Der Chevalier d’Aumale!« sagte ich, und mir stockte der Atem.
»Ja, der. Und obwohl er jung, schön und tapfer ist, traue ich ihm nicht übern Weg: Er hat böse Augen.«
»Nemours und d’Aumale, sieh an!« sagte ich nachdenklich. »Trotz Guises Tod in Blois sind also die Lothringer noch immer die Könige von Paris!«
»Und ihre Fürstinnen die Königinnen!« sagte Alizon mit einer Bissigkeit, die ich nicht an ihr kannte. »Wahr und wahrhaftig! Mal abgesehen von der ›Königinmutter‹, die ja noch leidlich ist. Aber die Guise! Und erst die Montpensier! Ich sage dir, es gibt keinen schlimmeren Teufel als die Hinkefuß! Die Pfaffen, die sie schmiert, predigen das Evangelium, wie sie es ihnen vorschreibt in ihren Blättchen, und, heilige
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