Paris ist eine Messe wert
gut ist sie!« sagte Pierre de L’Etoile, der einer jener »Politischen« war, die von der Liga als heimliche Parteigänger des Königs und einer loyalen Einigung zwischen Hugenotten und Papisten gehaßt wurden. »Wie hier die Dinge laufen«, fuhr er fort, »kann einem wahrlich nicht gefallen. Diese verrotteten Pedanten von der Sorbonne, die wie Krähen auf dem Kirchturm krächzen, haben in feierlichem Konsilium beschlossen, daß es mit Navarra keinen Frieden geben dürfe, auch wenn er sich bekehrt, weil ›die Gefahr von Täuschung und Tücke‹ bestehe. Hört Ihr, Baron! Diese Eiferer sind päpstlicher als der Papst. Für mich ist jedenfalls nicht der ein Ketzer, der in die katholische Religion eintreten will, sondern vielmehr, wer ihm die Lehre unter dem Vorwand von ›Täuschung und Tücke‹ verwehrt, zumal |195| sein Handeln keine Hinterhältigkeit bezeugt. Überall, wo Navarra erobert, respektiert er Kirchen und Klerus.«
»Richtig, mein Freund«, sagte ich, »aber warum nennt Ihr ihn Navarra und nicht den König? Die Sprache mißfällt mir.«
»Trotzdem müßt Ihr sie Euch zu eigen machen«, sagte L’Etoile bitter, »wenn Ihr nicht unversehens in der Seine enden wollt. Denn so lauten gegenwärtig in Paris die Evangelien. Wer das Wort ›König‹ ausspricht oder das Wort ›Frieden‹, wird erstochen oder im Fluß ersäuft, seine Frau, seine Töchter vergewaltigt im Namen Gottes und sein Haus geplündert.«
»Freundliche Sitten, verdammt!« sagte ich. »Tut Nemours nichts dagegen?«
»Nemours ist nicht der König, auch wenn er’s gern wäre, so jung er auch ist.«
»Wenn nicht er, wer regiert dann?«
»Ha!« sagte L’Etoile, »da liegt ja der Hund begraben, mein Freund! Die Macht in Paris ist viergeteilt. Erstens sind es die Lothringer, also d’Aumale, Nemours, seine Mutter, die Herzogin von Nemours, die Herzogin von Guise, Witwe des zu Blois Erschlagenen, und nicht zuletzt die Herzogin von Montpensier, eine Tigerin, verglichen mit den erstgenannten Fürstinnen. Aber Ihr kennt ja die hochedle Hinkefuß, Siorac. Ihr kennt sie sogar bis zum Grund«, setzte er mit anzüglich blitzenden Augen hinzu.
»Ha!« sagte ich süßsauer, »das ist keine sehr angenehme Erinnerung, die Hinkefuß wollte mich zweimal ermorden. Doch fahrt bitte fort, mein lieber L’Etoile. Wer ist der zweite Kopf dieser viergeteilten Regentschaft?«
»Der Kardinal Cajetan, päpstlicher Legat, ein sehr hoher Herr, Sohn eines mächtigen Herzogs, äußerst gerieben, äußerst italienisch, und gar nicht erfreut, in diesem turbulenten und bald ausgehungerten nördlichen Paris leben zu müssen, wo er es in seinem römischen Palast doch soviel schöner haben könnte. Übrigens war sein Weg hierher mit Widrigkeiten gepflastert. Unterwegs ging sein Gepäck verloren, wer weiß wo es geblieben ist. Man logiert ihn im Bischofssitz zu Sens, da bricht der Fußboden ein. Der Herzog von Lothringen gibt ihm Landsknechte zur Eskorte, und diese Barbaren begehen tausenderlei Ausschreitungen, besudeln Kirchen und essen Fleisch mitten in der Fastenzeit!«
|196| »Ist Cajetan Ligist?«
»Und wie! Mehr als der Papst, der nur ein halber ist, nicht so ingrimmig allerdings wie der Gesandte Mendoza, der dritte Kopf unserer derzeitigen Pariser Monarchie.«
»Nein!« rief ich mit erhobenen Händen. »Mendoza, der Erzfeind Königin Elisabeths und meines seligen Herrn! Mendoza, dieser arrogante Kastilier! Wenn er vor meinem König den Mund auftat, war es, als erteile er Befehle.«
»Baron«, sagte L’Etoile, indem er die Unterlippe herabzog, »mal abgesehen von seinem kastilischen Dünkel: Würdet Ihr demütig und bescheiden auftreten, wenn Ihr hinter Euch Philipp II. wüßtet, den mächtigsten Herrscher der Christenheit, die spanische Infanterie, die beste der Welt, die Goldminen beider Amerika und, sozusagen bei Fuß, den Papst in Rom?«
»Sixtus V. ist Philipp II. nicht untertänig«, sagte ich.
»Schön, aber muß er ihn nicht als Vorkämpfer der Heiligen Katholischen Kirche gegen die Hugenotten anerkennen? Und nun, Baron, führt Euch bitte dieses Pariser Königtum vor Augen: Drei seiner Köpfe sind Fremde! Nemours vertritt den Lothringer Clan. Cajetan ist Italiener. Mendoza Spanier. Was ist aus uns Franzosen des alten Frankreich geworden, seit wir unsere Könige abschlachten!«
»Und der vierte Kopf in Paris?«
»Zugegeben, der ist französisch, jedoch womöglich der schlimmste von allen durch seinen Eifer und seine Raffgier. Erratet Ihr,
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