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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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von der Wollust zu kneten ist und zu zerstören vom Tod?
    Um ihr meine sonderbare Verkleidung zu erklären, sagte ich, daß ich in Paris Interessen zu vertreten hätte, mich aber nicht unter meinem wahren Gesicht zeigen dürfe, weil mich gewisse Leute haßten, die in der Hauptstadt derzeit allmächtig seien. Deshalb hätte ich den falschen Namen und Stand eines Tuchhändlers gewählt, den ich nun durch den Kauf von allerlei Stoffen beglaubigen müsse.
    »Monsieur«, sagte sie mit einem Lächeln, in welchem ein unmerkliches Zittern mitschwang, das von Zärtlichkeiten wußte oder nicht wußte, »Ihr könnt in Châteaudun Seiden, Satins, Brokate, Wolltuche und Leinen kaufen, soviel Ihr wollt. |189| Doch solltet Ihr den Pariser Kunden nichts davon feilbieten, sonst fallen die Händler der guten Stadt mit Klauen und Zähnen über Euch her. Wenn Ihr Euch diesen aber als mein Vetter und Teilhaber vorstellt, könnt Ihr reichlich an sie selbst verkaufen, denn wegen der unruhigen Zeiten zirkulieren alle Waren schlecht. Trotzdem«, setzte sie hinzu, »werdet Ihr die Kaufleute nicht überzeugen, einer von uns zu sein, wenn Ihr nicht hart um besagte Preise feilscht und jeweils nur Sou um Sou nachlaßt! Was Edelleute nicht eben gewohnt sind.«
    Ich zeigte mich als gelehriger Schüler, ließ meine schöne Witwe alle Stoffe kaufen, die sie wollte, und prägte mir ihre Ratschläge ein. Gleichzeitig fertigte Miroul mit seinen geschickten Händen einen doppelten Boden für die Kutsche, um ihn mit Lebensmitteln zu füllen, die Pissebœuf und Poussevent von verschiedenen Orten der Stadt herbeischafften, damit wir keinen Verdacht erregten.
    Soweit es die Maße des Verstecks zuließen, legte ich gute Vorräte an Hartgebäck, Speck, Schinken, Dauerwürsten, Honig und sogar Weizen an für die Zeit, wenn es in der Hauptstadt kein Brot mehr gäbe.
    Nach fünf Tagen waren meine Vorbereitungen beendet, leicht hätte ich aber noch weitere acht Tage »in voller Sünde« verweilt, wie die schöne Kaufmannswitwe es ausgedrückt hätte, wäre sie hierüber nicht beharrlich stumm geblieben. Am siebenten Tag jedoch überbrachte mir der schöne Saint-Ange, den ich samt den beiden Pagen bei meinem Vater gelassen hatte, ein Billett meines Herrn, welches lautete:
     
    Trifft dies Billett dich, Graubart, wo du bist, mach dich stracks
auf, wohin du sollst. In acht Tagen bin ich vor den Mauern. Wie
das Reich will, werd ich der Stadt die Lippen schlecken und
die Hand an den Busen legen. Dann mußt du dort sein und mir
sagen, wie sie’s nimmt. Auf, Graubart!
    Henri
     
    Daß der König mir einen Spitznamen gab, erfüllte mich mit heller Freude, denn damit zeichnete er nur seine liebsten Diener aus. Im übrigen zeigte dieses Billett, das ich sogleich meinen Schätzen beifügte, den ganzen Mann: Er befahl als König, aber mit einer ansteckenden Fröhlichkeit und so schmeichelhaften Vertraulichkeit, daß es Lust machte, ihm zu gehorchen.
    |190| Was ich tat, indem ich meiner schönen Witwe auf der Stelle ankündigte, daß ich sie am nächsten Morgen verlassen müsse. Jetzt wird sie die Wahrheit anerkennen, dachte ich, wird die Maske fallenlassen und mir weinend in die Arme sinken. Nun, sie hörte meine Worte, die Augen halb geschlossen, indem sie alle Farbe verlor, schien auch zwischen Tränen und Ohnmacht zu schwanken, doch sie war eine starke und standhafte Frau – wie sie es im Furor unserer schweigsamen Nächte ja auch bewies –, und so faßte sie sich und sagte mit ziemlich fester Stimme, sie sei sehr traurig, daß ein treuer Freund fortgehe, der sie in ihrer Trauer so gut getröstet habe, doch verstehe sie, daß ich die Befehle meines Herrn befolgen müsse. Und mit einem großen Schwenk ihres Reifrocks verließ sie den Raum, um, wie sie sagte, ihren Geschäften nachzugehen. Sehr bewegt, sowohl von ihrer Anhänglichkeit an mich wie von ihrer Stärke, blieb ich zurück. Und ich glaube, ich hätte sie trotz unserer Standesunterschiede geliebt, hätte mein Aufenthalt in Châteaudun nur länger dauern können.
    »Madame«, sagte ich vor meinem Aufbruch am nächsten Morgen, »ich bewahre Euch in meinem Herzen eine Dankbarkeit, die ich anders als durch Worte bezeugen möchte. Weil ich jedoch weiß, daß ihr ein Geschenk nicht ohne Gegengabe annehmen würdet, möchte ich Euch einen Tausch vorschlagen.«
    »Einen Tausch, Monsieur?« fragte sie mit bebender Stimme und in dem sie mich groß ansah aus ihren großen Goldaugen.
    »Ich wünsche mir, Madame, für diesen

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