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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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wer?«
    »Die ›Sechzehn‹.«
    »Genau, die ›Sechzehn‹! die nicht sechzehn, sondern fünfzig sind. Ein Sammelsurium von Rechtsverdrehern und Pfaffen! Fünfzig Schurken, die zweihunderttausend dummgläubigen Pariser Schafsköpfen und Maulaffen befehlen! Die ›Sechzehn‹ sind gleichzeitig die Prediger und der weltliche Arm! Sie verbannen, töten, plündern und haben nichts anderes im Sinn.«
    Ich begriff aus diesen vehementen Reden, daß L’Etoile in größter Sorge war, daß die ›Sechzehn‹ ihn, den ›Politiker‹, eines Tages aus seinem schönen, hellen Haus verjagen könnten. Und um ihn von seinen Befürchtungen abzulenken, fragte ich, ob er sich für die Belagerung mit Vorräten versehen habe.
    »O ja!« sagte er. »Aber damit bin ich der einzige in meiner Straße! Diese Hirnlosen sind doch überzeugt, daß, wenn Navarra |197| vor unseren Mauern erscheint, die spanische Armee des Herzogs von Parma herbeifliegen und den Drachen töten wird. Dabei hat der Herzog von Parma in Flandern genug zu tun.«
    Ich nahm Abschied von L’Etoile, weil es ein Sonntag war und ich in der Kirche meines Viertels zur Messe gehen wollte, um mich sehen zu lassen, eine vermutlich aufrührerische Predigt zu hören, großzügig für die Kollekte zu spenden und mich den Gemeindeschäflein einzureihen, damit man mich nicht verdächtige.
    Die Kirche der Filles-Dieu, die ich stehenden Fußes zur Messe aufsuchte, nachdem ich mir von zu Hause ein dickes Gebetbuch geholt hatte (je dicker das Buch, desto frömmer die Seele), hallte bald, wie erwartet, von den scharfen Tönen eines Predigers wider, der mit wutschäumendem Mund von seiner heiligen Kanzel herab geiferte, der Béarnaiser sei ein stinkender Bock, ein roter Esel, ein Hund, ein Bastard, ein Hurensohn, denn seine Mutter sei eine alte Wölfin gewesen, die sich von jedem Wolf habe bespringen lassen; er sei ein Ketzer, rückfällig, exkommuniziert, gottlos, kurz, ein Tyrann; er habe mit unserer Mutter Kirche Unzucht getrieben und unseren Heiland gehörnt, habe sämtliche Äbtissinnen sämtlicher Städte, die er eingenommen, genotzüchtigt; man dürfe ihn in keiner Weise empfangen und anerkennen, auch wenn er katholisch werde; die Pariser seien durchaus nicht so töricht, nicht zu merken, daß seine angebliche Bekehrung nichts sein würde wie Lug und Trug; auch könnte dieser stinkende Bock von Navarra sich ruhig zur Messe bekennen, es werde ihm doch nichts nützen, und er würde keine höheren Bögen pissen: die Pariser würden ihn nach wie vor nicht wollen; und mit gutem Grund, weil sie nämlich genau wüßten, daß dieser Bastard, auch wenn er sich die Maske des Katholiken aufsetzte, ein Wolf im Schafspelz wäre. Und bräche der bei uns ein, nähme er uns kurzerhand unsere Religion, unsere Heilige Messe, unsere schönen Zeremonien, unsere Reliquien und unsere Kruzifixe; unsere Kirchen würden zu Pferdeställen, unsere Priester erschlagen und die Meßgewänder zu Fußlappen für die Soldaten gemacht; und dann müsse ein zweiter Jaques Clément gefunden werden, ihn zu töten. Wenn er nur könnte, würde er selbst, der Pfarrer der Filles-Dieu, ihn mit eigenen Händen erwürgen, denn er wüßte sich der Palme des Märtyrers und des Paradieses sicher. Einstweilen aber sei es die |198| Pflicht eines jeden Gemeindemitglieds, die »Politischen« aufzuspüren, anzuzeigen, festzunehmen und in der Seine zu ersäufen; kurzum, es müsse in Paris abermals eine Bartholomäusnacht geben, um unsere geliebte und heilige Stadt aufs neue von verdorbenem Blut zu reinigen.
    Ich lauschte diesen verbrecherischen Dummheiten, wie man sich denken kann, in tiefer Andacht, die Hände flach auf meinem Kaufmannsbauch, die Augen halb geschlossen, und ernsten Gesichts nickte ich beifällig an den besten Stellen, so daß ich ein erbauliches Bild abgab für meine Nachbarn, die zu den Reden des Wüterichs äffisch grinsten und nach der Messe am Kirchentor alles wie Botschaften des Evangeliums nachkäuten, ein Evangelium des Herodes, könnte man sagen, weil es um nichts wie Mord und Totschlag ging.
    Als ich mit Pissebœuf heimkam, der sich in der Kirche, schlau, wie er war, ganz nach meinem Vorbild gerichtet hatte (was sehr verdienstlich war, trug er sein Hugenottentum doch tief im Herzen, so großmäulig und draufgängerisch er sich auch gab), trafen wir in unserer Küche den dicken Poussevent, der über die Preise barmte und jammerte, die man ihm auf dem Markt abverlangt hatte.
    »Moussu lou Baron«, sagte er,

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