Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
Vom Netzwerk:
ganz außer sich, »hier zerrinnt Euer Geld wie nichts! Das hier ist nicht Paris, das ist Babylon! Gesalzene Butter habe ich in Châteaudun für vier Sous das Pfund gekauft, hier kostet es das Doppelte. Das Schock Eier genauso. Und Fleisch ist so teuer, daß ich für ein Paar größere Hühner dreißig Sous hinlegen mußte. Für zwei Kapaune – ich hab sie nicht genommen – wollte die Gevatterin einen Ecu! Einen Ecu, habt Ihr gehört? Und was Obst und Gemüse angeht, möchte man glauben, Frankreichs Erde wird knapp, so teuer ist es! Fünfzehn Sous wollen sie für ein Pfund Kirschen! Moussu lou Baron, ich meine, wir kaufen diesen Räubern nichts mehr ab und leben von unseren Vorräten.«
    »O nein!« sagte ich energisch, »im Gegenteil, Poussevent! Wir lassen unsere Vorräte unangetastet und kaufen täglich hinzu, soviel wir können, und egal, wie teuer. Es liegt doch nicht daran, daß die Händler räubern, sondern daß die Lebensmittel knapp und knapper werden, weil der König den Ring um die Stadt immer enger zieht und Kähne und Karren nicht mehr durchkommen. Für die zwei Kapaune, die du heute für einen |199| Ecu nicht wolltest, zahlst du in einem Monat sechs Ecus. Und noch einen Monat weiter findest du zum doppelten Preis nicht mal mehr Hahnenhoden! Kauf, Poussevent, kauf! Kauf, soviel du kaufen kannst, ohne Rücksicht auf meine Taler. Es geht um unser Leben.«
    Was meinen Miroul anlangte, so kehrte er erst bei Einbruch der Dunkelheit von seinen Wanderungen zurück, krumm und lahm, wie er sagte, die Schuhe habe er sich in meinem Dienst bis auf die Brandsohlen durchgelaufen und die Füße bis zu den Knien. Und indem er die innige Freude, die ihm das Bummeln durch die Straßen der Hauptstadt bereitet hatte, unter tausend Klagen herunterspielte, gab er mir eine epische Schilderung.
    »Ha, Moussu! Mein Lebtag sah ich noch kein so dummgläubiges, klatschsüchtiges, einfältiges und nichtsnutziges Volk wie die Pariser. Alles, was gegen den König gepredigt wird, nehmen sie für bare Münze und plappern es wortwörtlich nach, und für diesen felsenfesten Glauben würden sie sich in Stücke hauen lassen.«
    Ich unterbrach Miroul, um ihn zu warnen, er solle um seiner Sicherheit willen nicht »König« sagen, im übrigen solle er mich mit der Wiedergabe gehörter Predigten verschonen, wer eine kenne, kenne sie alle, und die in der Kirche der Filles-Dieu habe mir vollauf gereicht.
    »Mir auch!« sagte Pissebœuf.
    »Aber, wißt Ihr, Moussu, daß die Pariser sich brüsten, es stünden außer ihren sechstausend Landsknechten noch fünfunddreißigtausend der Ihren unter Waffen?«
    »Diese Zahlen«, sagte ich, »müssen wir überprüfen.«
    »Deshalb fürchten sie Navarra auch nicht«, fuhr Miroul fort, »sie sagen, er habe nur halb so viele.«
    »Das stimmt«, sagte ich.
    »Und obendrein will jeder Briefe von Mayenne an Nemours kennen, worin dieser ankündigt, er werde in Kürze hier mit den Spaniern des Herzogs von Parma eintreffen.«
    »Das Lied kenne ich.«
    »Moussu«, sagte Miroul ein wenig pikiert, »gibt es etwas, das Ihr nicht schon kennt? Vielleicht wißt Ihr auch, daß die Pariser den Mund nicht auftun, ohne tausend Verwünschungen gegen den seligen König auszuspeien? Daß sie ihn Tyrann, Ketzer, Höllenbraten, Gottesleugner und Sodomit schimpfen |200| und ihn im Tod noch genauso hassen wie im Leben? Und daß der Béarnaiser bei ihnen nicht besser wegkommt, nur daß er nicht schwul gescholten wird, sondern Hurengänger und Nonnenschänder?
    Und hättet Ihr gedacht, Moussu, daß Jacques Clément überall als Märtyrer gefeiert wird, fast wie ein Heiliger? Daß in Notre-Dame zu seinem Gedächtnis Messen gelesen wurden, wo die Montpensier seine Mutter an der Hand zum Altar geführt und laut gesagt hat: ›Gesegnet sei der Leib, der Jacques Clément getragen, und die Brüste, die ihn genährt haben!‹ Worauf der guten Frau Beifall gezollt wurde und sie vom Volk seither fast verehrt wird wie die Gottesmutter. Wer hätte gedacht, Moussu, daß ein armseliger kleiner Jakobinermönch nicht durch Gebete zu glanzvollem Ruhm gelangen würde, sondern durchs Messer?«
    »Siehst du, Miroul, das wußte ich nicht.«
    »Und zum Schluß das Beste, Moussu«, sagte Miroul, »oder eher das Schlimmste. Und das habe ich nicht aus Klatsch und Tratsch aufgeschnappt, sondern mit eigenen Augen gesehen.«
    »Und was war das, Miroul, was du gesehen hast und was schlimmer war als alles andere?«
    »Eine Prozession.«
    »Ich habe mindestens

Weitere Kostenlose Bücher