Paris ist eine Messe wert
hundert gesehen!«
»Aber diese, Moussu, übertraf alle. Hört nur! Als ich erfuhr, daß die Kirche eine große Parade ihrer Geistlichkeit veranstalte, eilte ich neugierig zu diesem Schauspiel, und inmitten dichtgedrängten Volkes labte ich mir Augen und Ohren für den Rest meines sterblichen Lebens. Ha, Moussu! Wie viele Mönche es gibt in Paris! Und welche Legionen von Mittlern beim Herrgott! Und in so vielerlei Kutten, Livreen und Gewandungen, daß ich noch jetzt geblendet bin, denn ich sah heute weiße Mönche, graue Mönche, rotbraune Mönche, schwarze Mönche, nußbraune Mönche und wer weiß welche noch in festen Reihen durch die Pariser Straßen ziehen, alle fett und drall wie Engerlinge in reichem Acker, nur die Feuillantiner, die nichts wie Brot und Grünzeug essen, waren blaß und mager. Aber die waren auch die einzigen! Denn, um es offen zu sagen, habe ich noch nichts Feisteres gesehen als die vier Bettelorden, die Armut gelobt haben und von öffentlichen Almosen leben! Ich wüßte wahrhaftig nicht zu sagen, welchem der vier Orden die |201| guten Leute am meisten geben, denn was den Umfang ihrer Wänste betrifft, steht einer den anderen nicht nach, von den Dominikanern bis zu den Franziskanern und von den Augustinern bis zu den Karmelitern …«
»Verdammt!« sagte Pissebœuf, »Feuillantiner, Dominikaner, Franziskaner, Augustiner, Karmeliter – wie viele Orden haben wir noch in Frankreich?«
»Bah, das ist doch gar nichts, Hugenott!« sagte Miroul, stolz auf sein Wissen. »Außerdem beten für uns noch Kapuziner, Minimen, Kartäuser, Hieronymiten, Jesuiten und diese Schlangen von Jakobinern, aus deren Nest Jacques Clément bis nach Saint-Cloud gekrochen kam, um unseren König zu ermorden.«
»Hör auf, Miroul!« sagte ich. »Ich will dich nicht ärgern, aber was war so Ungewöhnliches daran, daß Mönche barfuß durch den Straßenkot zogen?«
»Das Ungewöhnliche, Moussu«, sagte Miroul wichtig, »ist, daß sie heute bewaffnet waren.«
»Bewaffnet?«
»Jawohl, bewaffnet! Alle hatten wacker ihre Kutten geschürzt, um im Gleichschritt zu marschieren, und die Kapuzen abgeworfen. Und trugen die einen ein Kettenhemd überm Rock, so die anderen einen Harnisch, und alle trugen Helme und schwenkten Waffen.«
»Was für Waffen?«
»Was die Nachbarn ihnen so geliehen hatten, nehme ich an, Musketen, verschiedenste Pistolen, Brustwehren, Piken, Schwerter und Dolche.«
»Ein schöner Aufmarsch! Hatten sie etwa auch Hauptleute und Sergeanten?«
»Jawohl! An der Spitze ging als befehlshabender Hauptmann, aber nicht barfuß, sondern in Stiefeln, Monseigneur Rose, der Bischof von Senlis, die Augen zornentbrannt und herrisch. In einer Hand hatte er ein Kruzifix, in der anderen eine Hellebarde.«
»Du machst Witze, Miroul!«
»Nein, nein! Alle Hauptleute waren mit Kruzifix und Hellebarde bewehrt, es waren die Priore und Äbte der Orden, vor denen sie hermarschierten, und sie wurden mit starkem Beifall vom guten Volk begrüßt. Von den Namen habe ich mir nur Dom Bernard gemerkt, den Prior der Kartäuser. Und der Sergeant, |202| der auf Ordnung hielt, war der Schotte Hamilton, der Pfarrer von Saint-Côme, der früher Soldat gewesen sein muß, so gut ordnete er die Mönche zu Viererreihen, lief von einer Kolonne zur anderen wie ein Hütehund, schnauzte wie ein Sergeant beim Manöver und kommandierte den Reihen, bald anzuhalten und Hymnen zu singen, bald weiterzumarschieren mit dem Ruf: ›Tod dem Bastard Navarra! Politische in die Seine!‹ Rufe, die vom Volk sogleich mit einem Lärm und Getöse übernommen wurden, daß man taub werden konnte.«
»Gab es in dem Aufmarsch nur Mönche?«
»Nicht nur. Geistliche Lehrer und Schüler der Sorbonne zogen mit, und sogar Bürger, die mit eifrigem Kopfnicken behaupteten, angesichts der drohenden Gefahr sei es Zeit, daß die betende Kirche zur kämpferischen Kirche werde.«
»Kämpferische Kirche, Sankt Antons Bauch! Hast du noch mehr, Miroul?«
»O ja, Moussu!« sagte Miroul mit strahlender Miene, »diese unerhörte Prozession erreichte ihren Gipfel, als sie der Karosse des Monsignore Cajetan, des päpstlichen Legaten, begegnete, der gekommen war, sie zu begrüßen. Nur mochte besagter Cajetan, der ein großer Herr und Italiener ist und sich den Gerüchen des gemeinen Volkes lieber fernhält, nicht aussteigen und zeigte sich nur am Karossenfenster. Woran er guttat, denn um ihn zu ehren, befahl Hamilton seinen Mönchs-Soldaten eine Salve, und der dickste von ihnen, der
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