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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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wohl geschickter mit dem Löffel als mit Musketen umgehen kann, schoß glatt den Almosenier des Legaten nieder und verwundete einen seiner Leute. Worauf Monseigneur Rose laut sagte, das tue ihm leid, aber genau besehen, sei der Almosenier bei einer heiligen Handlung für eine heilige Sache gefallen.«
    »Amen«, sagte Pissebœuf und schüttete sich aus vor Lachen, ebenso Poussevent, derart ergötzte unsere Arkebusiere die Vorstellung, daß Mönche das edle Waffenhandwerk in ihre Patschhände nahmen. Mir hingegen blieb das Lachen über diese seltsame Prozession im Halse stecken.
    »Was ist, Moussu, hat Euch meine Geschichte nicht gefallen?« fragte Miroul.
    »Doch, doch«, sagte ich ernst. »Aber erfreuen kann sie mich nicht, im Gegenteil.«
    »Warum denn, Moussu?«
    |203| »Wenn ein Volk von seiner Geistlichkeit dermaßen getaucht und gehämmert wird, ergibt es ziemlich harten Stahl und wird nicht leicht durch Aushungern zu brechen sein. Das heißt, die Belagerung wird sehr lange dauern, und viele gute Franzosen werden aus den Stiefeln kippen.«
     
    Der Ausdruck »aus den Stiefeln kippen« war Pariser Redensart und bedeutete sterben. Und ich kann nicht sagen, wie oft ich ihn in den folgenden vier Monaten in meiner Straße und in meinem Sprengel hörte!
    In den drei Wochen nach der Prozession der schießwütigen Mönche schickte ich Pissebœuf, Poussevent und Miroul Tag für Tag getrennt auf verschiedene Märkte der Stadt, um so viele Lebensmittel zu kaufen, wie sie konnten, und ohne auf den Preis zu achten. Und ohne abzuwarten, bis besagte Lebensmittel ausgingen, rationierte ich ab sofort unsere Portionen, was vor allem Poussevent schwerfiel, dessen großes Maul verfressener war als sein Kopf gescheit, Pissebœuf aber nicht viel weniger, so hager er auch war. Was meinen lebhaften, schlanken Miroul anging, so aß er nie üppig noch lange, weil es ihn, ebenso wie mich, war der erste Hunger gestillt, gar nicht bei Tische hielt, um auf den zweiten und dritten Hunger zu warten. Jedenfalls sah ich, als ich unsere Vorräte für längere Zeit einteilte, daß wir bei solcher Sparsamkeit zu viert mindestens ein halbes Jahr zu leben hätten. Und länger, dachte ich, könnte die Belagerung nicht dauern.
    Nun hieß es aber, meinem Aufenthalt in Paris den rechten Anstrich zu geben, also besuchte ich die Händler, deren Namen die schöne Kaufmannswitwe mir genannt hatte, und es zeigte sich, daß sie scheinbar ganz und gar nicht gewillt waren, meine Stoffe zu kaufen, aus Furcht, sich zu ruinieren, wie sie sagten, denn sie könnten, sagten sie, derzeit nichts weiterverkaufen und jammerten ohne Ende über den Niedergang des Handels (nur mit Lebensmitteln machte man ein Vermögen), und wenn man sie hörte, waren sie schon fast am Bettelstab. Aber, wie man weiß, ist das die Sprache von Geldsäcken, die bei der kleinsten Widrigkeit zum Herzzerreißen flennen, sie hätten kein Hemd mehr in der Truhe und kein Salzfleisch mehr in der Kammer. Worauf ich nicht hereinfiel, denn am Schluß ihrer Klagelieder begannen sie, anstatt mich zu verabschieden, meine Stoffe zu |204| taxieren und hart um jeden Sou zu schachern. Offenbar wollten sie sich ein Lager an Wolltuchen, Seiden und Kattunen schaffen, um die nach der Belagerung rar gewordenen Waren desto teurer und mit großem Profit zu verkaufen.
    Weil es mir aber nicht darauf ankam, abzuschließen oder nicht abzuschließen, blieb ich bei diesen Verhandlungen stur, so daß ich alles loswurde und mir obendrein die Achtung der Kaufleute und in gewissem Maß ihr Vertrauen erwarb, denn diese Gilde ist vorsichtig und argwöhnisch wie eine Ratte im Käse, die selten den Kopf aus dem Loch steckt, das sie sich gefressen hat, aus Angst, daß man ihr auf die Schnauze haut.
    Einer namens Borderel jedoch, der am Ende der Rue Saint-André-des-Arts wohnte, ich meine, nahe der Porte de Bucci, faßte Freundschaft zu mir. Ich hatte ihm nämlich erzählt, daß ich zu Montpellier Medizin studiert hätte, bevor mein Vater mir seinen Handel überlassen habe, und weil seine Frau fast auf den Tod darniederlag, wollte er unbedingt, daß ich sie untersuchte. Ich stellte fest, daß sie bis zum Blutspeien hustete, daß sie völlig entkräftet und ausgelaugt war, und fragte Borderel, wie die Ärzte sie behandelten. Und als ich aus seinem Mund hörte, daß man sie purgiere, zur Ader lasse und auf Diät halte, riet ich ihm, diese todbringende Behandlung abzubrechen, sie reichlich zu ernähren, nicht mehr zur Ader zu lassen

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