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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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und zu purgieren, noch sie in ihren vier Wänden einzusperren, sondern die Fenster zu öffnen und Luft und Sonne hereinzulassen. Obwohl Borderel mir nicht ganz glaubte, befolgte er meinen Rat, aus verzweifelter Angst, daß sie ihm stürbe. Binnen weniger Tage gewann die Ärmste Leben und Farbe, auch ein wenig Fröhlichkeit zurück, und sie starb, wie ich hörte, erst zwei Jahre später, und zwar an der Krankheit und nicht an den Ärzten.
    Dieser Borderel stand sehr hoch in seiner Gilde und belieferte den Schneider des Herrn von Nemours und der Lothringer Fürstinnen mit Seiden und Satinstoffen. Weshalb ich die Freundschaft zu ihm pflegte, denn ich hoffte, mancherlei Nützliches im Gespräch mit ihm aufzupicken, zumal er weder Ligist noch Royalist war, sondern abwartete, welche der beiden Parteien siegen würde, ehe er sich erklärte, und keine andere Religion hatte als sein Geld. Indessen ging er fleißig zur Messe, nickte zu den blutrünstigen Predigten mit dem Kopf |205| und gab reichlich bei den Sammlungen der »Sechzehn«, um nicht als »Politischer« verfemt zu werden.
    Ich kam nicht umhin, diesen Borderel gernzuhaben, denn mochte er auch ein Pfennigfuchser sein, war er dabei doch ein Sinnenmensch, hing sehr an seinen Kindern und liebte innig seine junge Frau, die sehr schön war, sowie sie wieder ein wenig Fleisch auf den Knochen hatte. Borderel trug einen grauen Vollbart, und seine Miene wirkte immer traurig, im Gegensatz zu seinem für gewöhnlich lustigen und witzigen Humor, und bisweilen klatschte er mit Wonne, namentlich über die Großen, wie die Pariser eben sind. Und oft sagte ich mir, daß seine melancholische Miene ein Schabernack der Natur sei, die alle seine Züge herabhängen ließ, die äußeren Augenwinkel, die Nasenspitze, die Mundwinkel, und ich vermute, daß auch sein Kinn (das der Bart verbarg) auf sein Doppelkinn herabhing.
    Es war am 15. oder 16. Mai, glaube ich, das heißt ungefähr acht Tage nach Beginn der Belagerung, als Borderel mir den Tod des dicken Kardinals von Bourbon mitteilte, des Pappkönigs der Ligisten, den sie Karl X. nannten, um ihre Meuterei zu verhehlen, der aber in Wahrheit keine andere Krone trug als die Tonsur seines Standes.
    »Er starb an einer Urinverhaltung«, sagte Borderel kopfnickend, »die ihm ständiges Fieber verursachte, und das hat ihn umgebracht. Was beweist«, fuhr er fort, indem er meinen Becher bis zum Rand mit einem guten Medoc füllte, »daß man zum Leben pissen muß, und zum Pissen muß man trinken. Trinken wir, Gevatter.«
    »Nun stehen wir also ohne König da«, sagte ich, indem ich trank, und zupfte vorsichtig an seinem Faden in der Hoffnung, die Spindel abzuwickeln.
    »Gemach!« sagte Borderel. »Nicht daß es uns gerade an der Ware mangelte. Davon haben wir nur zuviel.«
    »Zuviel?« fragte ich, mich dumm stellend. »Wieso?«
    »Drei Lothringer, zwei Bourbonen und eine Spanierin. Das macht sechs Thronanwärter«, sagte Borderel und strich seinen Bart, »ist das nicht viel?«
    »An Lothringern sehe ich nur Mayenne«, sagte ich.
    »Und Nemours.«
    »Was? Der Grünschnabel?«
    »Er träumt davon, und seine Mutter, die ihn seinem Halbbruder |206| Mayenne vorzieht, träumt auch davon. Aber als kluge Frau hält sie zwei Eisen im Feuer, und für den Fall, daß Navarra siegt, will sie ihren Liebling mit dessen Schwester vermählen, damit Nemours, wenn er nicht König werden kann, wenigstens Schwager des Königs wird. Weshalb sie lange nicht so ligistisch ist wie die Montpensier.«
    »Aber«, sagte ich, »wenn Nemours diesen Traum hegt, warum sollte ihn nicht auch der Sohn des zu Blois Ermordeten hegen?«
    »Der junge Herzog von Guise? Der hegt ihn doch auch! Und Frau von Guise, seine Mutter, noch viel mehr. Und weil der junge Herzog bei Navarra gefangensitzt, schont auch sie den Ketzer.«
    »Aber was die Bourbonen betrifft«, sagte ich, »so weiß ich nur einen, den Graf von Soissons.«
    »Ihr vergeßt, Gevatter, daß der Kardinal von Vendôme auch Bourbone ist.«
    »Ah!« sagte ich seufzend, »und auf welchen dieser sechs Prätendenten wettet Ihr?«
    »Auf die Spanierin.«
    »Was?« fragte ich und tat erstaunt, »eine Frau auf Frankreichs Thron? Und unser Salisches Gesetz?«
    »Das kein Gesetz ist, sondern ein Brauch«, sagte Borderel lachend. »Und als Enkelin von Katharina von Medici ist Clara-Isabella Eugenia eine Tochter Frankreichs.«
    »Was aber nichts heißen würde », sagte ich, »wäre sie nicht auch die Tochter Philipps II.«
    »Das ist in

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