Paris ist eine Messe wert
der Tat ihre eigentliche Stärke«, sagte Borderel spöttisch, »und ihr unstreitiger Titel.«
»Ich glaube trotzdem nicht«, sagte ich, »daß der Gerichtshof sie so freudig bestätigen würde.«
»Vielleicht doch, wenn man sie mit dem jungen Guise oder mit Nemours vermählt.«
»Ich sehe schon«, sagte ich vorsichtig, »es wird große Kämpfe kosten, bis die Franzosen wieder einen König haben.«
»Das kommt eben davon«, sagte Borderel, indem er mit unendlich weiser Miene seinen Bart strich, »daß man im vorliegenden Fall vom Prinzip der Erblichkeit abgewichen ist, welches ja zumindest das eine Gute hatte, daß nicht so viele Frösche im Sumpf anfangen durften zu quaken.«
|207| Nach dieser Bemerkung, die einem ligistischen Ohr hätte »politisch« klingen können, blickte Borderel mich mit einer Miene an, die zu verstehen gab, daß er nichts weiter sagen werde, nicht einmal im eigenen Haus, in seinen eigenen vier Wänden und im vertraulichen Gespräch. Und er ließ dieses Schweigen dauern.
»Letzten Montag«, setzte er dann hinzu, wie um mir ein noch helleres Licht aufzustecken, »landete ein Gevatter, ein gewisser Moret, in einem Sack in der Seine, weil er laut gesagt hatte, man solle mit Navarra Frieden schließen, wenn er sich bekehre. Letzten Dienstag wurde Regnard, Prokurator am Châtelet, verhaftet und mit einigen anderen eingekerkert unter der Anklage, er habe die Stadt an Navarra ausliefern wollen. Am Tag darauf hingen sie am Galgen.«
»Was, ohne Urteil?«
»Jawohl, Gevatter, ohne Urteil, auf Befehl der ›Sechzehn‹, Gott segne sie«, fügte Borderel mit einer Miene hinzu, die der Segensanrufung mehr als zur Hälfte widersprach.
Ich denke, daß er sich diese vorsichtige Gewohnheit für die Öffentlichkeit zugelegt hatte und sie sogar im Privaten beibehielt, aus Angst, sie einmal zu vergessen: ein schönes Beispiel dafür, welchem Druck die Seelen (und die Körper) in diesen Zeiten durch einen Haufen von Tyrannen ausgesetzt waren, die sich die Vorrechte des Königs und des Hohen Gerichts anmaßten, zu öffentlichen Ämtern ernannten, Steuern erhoben und die Justiz ausübten.
An diesem Punkt unseres Gesprächs wurden wir unterbrochen, weil die Dame des Hauses erschien, auf Schritt und Tritt von zwei Kammerfrauen gestützt und zu einem Lehnsessel geleitet. Mit matter, sanfter Stimme dankte sie mir für meine gute Behandlung. Und tatsächlich, anstatt an Entkräftung und all dem abgezogenen Blut zu sterben, litt sie jetzt nur mehr unter der tödlichen Krankheit, die sie, barmherziger als die Doktoren, weit langsamer auszehrte, mit Pausen und Erholungen, die ihr von Zeit zu Zeit, denke ich, die Illusion der Genesung schenkten – eine Illusion, die ich ihr um nichts in der Welt rauben wollte, denn sie täuschte sie über den Ernst ihres Leidens hinweg. In vierzehn Tagen hatte sie an Gewicht und Kräften zugenommen, trotzdem war sie sehr blaß, und daß ihre schönen schwarzen Augen, aus denen großes Verlangen zu leben |208| sprach, vor Fieber glänzten, erhöhte nur ihren Zauber. Sie war, glaube ich, noch keine zwanzig, und ihre naive Physiognomie hatte eine kindliche Süße, wenn sie Borderel und mich, die sozusagen doppelt so alt waren wie sie, mit einem Vertrauen ansah, als hätten unsere vereinten Kräfte die Macht, sie vor dem Tod zu bewahren. Der arme Borderel hielt seine Tränen zurück, halb vor Genugtuung, sie bei besserem Befinden zu sehen, und halb in der Furcht, die Besserung könnte nur flüchtig sein, wie ich ihn gewarnt hatte: ein Geheimnis, das schwer auf seiner Seele lastete.
»Madame«, sagte ich und hob die Hand, »bitte, sprecht nicht, und laßt mich wiederholen, was ich aus dem Mund des großen Ambroise Paré gehört habe: Man kann von einem Lungenleiden vollständig genesen, wenn man Ruhe hält, sich hütet, zu husten und zu sprechen, und sich gut ernährt.«
»All das beachte ich ja«, sagte sie mit einem kindlichen Schmollen, das sie mir noch reizender machte, »und trotzdem höhlt das Fieber mich aus.«
»Madame«, sagte ich, »deshalb habe ich Euch ein Päckchen Weidenblätter mitgebracht und empfehle Euch, morgens und abends einen Sud davon gegen das Fieber zu trinken.«
Sie bedankte sich sehr, und noch mehr Borderel, sobald sie wieder gegangen war. Und weil er nicht wußte, wie er mir seine Dankbarkeit bezeigen sollte, bot er mir Lebensmittel an für den Fall, daß sie mir im Lauf der Belagerung ausgehen sollten: ein Angebot, das gar nicht hoch genug zu schätzen
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