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Pariser Bilder

Pariser Bilder

Titel: Pariser Bilder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Jouhandeau
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kehrte ihm den Rücken zu, während er sich eine Zigarette drehte.
    Ohne mich wie viel verlorene Schönheit! Einmal, den Kopf im Profil mitten vor seinen Leib geschoben, eben an die Stelle der Laterne, die er dem andern übergeben hatte paradiert er den ganzen Gehsteig entlang: ein Pfau, wie man ihn radschlagend sich nicht schöner vorstellen könnte, als hätte ich den Doryphoros des Polyklet persönlich gesehen, wie er eine um die andere alle möglichen Figuren eines echten Kampfes für mich allein vorführte.

    Eine Hausmeisterin, Rue Durel

    Ich bin verliebt in eine Hausmeisterin der Rue Durel, deren Mann gelähmt ist. Niemals wurde ein Wort zwischen uns gewechselt, außer: »Guten Tag!«, ohne daß wir uns gekannt hätten, auf den ersten Blick und wie aus einem Munde, aber dieses »Guten Tag!« war ihrerseits von einem Lächeln begleitet (meines habe ich nicht gesehen), welches besagte, daß ich ihr gefiel, wie man es innerlich mit einem Begeisterungsschrei verkündigt, der den äußeren Ton dementsprechend dämpf. Von mir aus, der auf die Kopfaltung sehr viel mehr Gewicht legt als auf den Kopf selber, den die Art, wie dieser sich bewegt, stärker anzieht als die Gesichtsbildung, mochte diese Frau längst das kanonische Alter erreicht haben und in untergeordneter Stellung sich befinden: um sie für mich zu adoptieren, hatte es mir, wie eine intime Beziehung, genügt, ihre Seele gewittert zu haben, aus der Distinktion der Gebärde, dem Akzent der Stimme, dem Gesichtsausdruck, die bei ihr von offenkundigem Adel zeugten. Seither gleicht das Glück unserer Begegnungen, ob sie auch wortlos bleiben, einem Stelldichein von Verliebten.

    Das Dienstbotenpaar

    Jeden Tag, seit nunmehr schon zehn Jahren, sehe ich unter meinen Fenstern einen Mann und eine Frau um sieben Uhr morgens und um acht Uhr abends so regelmäßig auf der Avenue de l’Amiral-Bruix Arm in Arm daherkommen, daß ich mich nach ihnen wie nach einer Schlaguhr richten könnte. Sie mögen um die Fünfzig sein, beide etwa vom gleichen Alter. Ich vermute, sie arbeiten in einem bürgerlichen Haushalt an der Porte Dauphine: musterhafe Dienstboten, adrett gekleidet, gewichst, gebürstet, gekämmt, von der Sorte, die im Aussterben begriffen ist. Nein, nichts wäre imstande, die Gutherzigkeit ihres Betragens, das Liebenswürdige ihrer Haltung, die niemals übereilte und so wohl aufeinander abgestimmte Kadenz ihrer Schritte wiederzugeben. Sie trägt den Kopf ein wenig nach der Seite ihres Gefährten geneigt, weil er ein ganz klein wenig kleiner ist als sie. Dabei stützt sie sich auf seinen Arm, er ist so kräfig, was man ein stämmiges Mannsbild nennt. Die meiste Zeit gehen beide mit niedergeschlagenen Augen, wie Leute, die die Landschaf oder die Gesichter der anderen nichts angehen und die es nicht nötig haben, sich anzublikken, um sich zu sehen. Aus dem Klang ihrer Stimme, aus der Wahl ihrer Worte erkennt jeder, ob der andere lächelt oder die Brauen runzelt, ohne daß er deshalb den Kopf zu wenden brauchte. Jeder ist das Brevier des andern. Da bedarf es des Lesens nicht mehr, man kennt sich auswendig. Außen an dem freien Arm baumelt bei jedem eine Einkaufstasche, die beiden anderen Arme sind so eng miteinander verwachsen, daß man sie, wenn sie in der Ferne verschwinden, nicht mehr unterscheiden kann, und sie nur noch eines bilden.

    Ein anderes Paar

    Kurz darauf kommt ein anderes Paar gegangen, sie ein wenig voraus, oh! kaum eine Schrittlänge vor ihm. Er hinkt. Man möchte dieser allzu geschwinden oder allzu unachtsamen Begleiterin zurufen, ihren Schwung doch ein wenig zu bremsen, damit der Unglückliche sie einholen könne, wozu er vergebliche Anstrengungen macht. Sie passen offenkundig nicht recht zusammen, und die Art, wie sie nicht übereinstimmen, hat eben durch ihre Offenkundigkeit etwas Empörendes und Tragisches.
    Aber, sage ich mir, das ist doch in fast jeder Ehe der Fall. So wenige nur sind geschaffen, um zusammen zu gehen, und welch seltene Selbstverleugnung, aus Liebe zu dem andern auf seinen eigenen Rhythmus zu verzichten.

    Ein kleiner Lieferwagen
    Kaum sind sie unter den Platanen verschwunden, ist die Reihe an einem kleinen Wagen, der dahergejagt kommt, auf zwei Automobilreifen und von einem ungarischen Pferdchen gezogen. Ein in lauter Mäntel und Tücher eingepacktes weibliches Wesen führt die Zügel, eine Kuhmagd vermutlich, die täglich in aller Frühe die frische Milch und die Erzeugnisse eines entlegenen Landgutes einem großen

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