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Pariser Bilder

Pariser Bilder

Titel: Pariser Bilder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Jouhandeau
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Herrn in die Stadt bringt. Einem russischen Fürsten vielleicht? Das Gefährt hat etwas von einer Troika an sich.

    Seltsame Art zu lesen

    Von der Plattform des Autobus aus, die ich eben bestiegen habe, beobachte ich einen im Innern des Wagens sitzenden jungen Mann, der eine seltsame Art zu lesen hat. Jedesmal, wenn er die Vorderund Rückseite eines Blattes überflogen hat, reißt er es aus dem Buch, zerknittert es und läßt es durch die Tür davonfliegen.

    Fünf Buben und ein Jesuitenpater

    In dem Wagen einer Schulanstalt vier kleine Buben, die in den vier Ecken hocken und dort ihre Aufgabe lernen. Ein fünfer, von erstaunlicher Schönheit, liegt der Länge nach auf einer Bank ausgestreckt und träumt vor sich hin, mit der – zumindest stillschweigenden – Erlaubnis des Jesuitenpaters, der, ihm gegenüber, seine Blicke geflissentlich in eine andere Richtung zu schicken scheint, aus Furcht vermutlich, für so viel flüchtige Anmut nicht unempfindlich zu sein und darüber sein ewiges Heil zu verscherzen.

    Die Frau des Weinhändlers, Avenue de Neuilly

    Die Frau des Weinhändlers in der Avenue de Neuilly: »Ach nein, Monsieur, um Gottes willen. Nein und nochmals nein, wir gehn nicht zusammen in Ferien, mein Mann und ich, weder zur gleichen Zeit noch an den gleichen Ort. Das ist der einzige Moment, die einzige Gelegenheit, die wir haben, uns einmal nicht zu sehen, und die will man doch ausnützen! Das ganze Jahr durch ist man beisammen, Tag und Nacht; tagsüber im Geschäf, und nachts im Bett. Schließlich hat man es über. Zu Hause, da geht es ja noch an, mit uns beiden, wir haben den gleichen Geschmack. Draußen aber, wenn man seine Gewohnheiten aufgibt, ist es genau das Gegenteil. Der Herr möchte gern ans Meer, in ein mondänes Seebad; da kann er vierzehn Tage lang für jemand gelten, der er nicht ist. Mir aber graust vorm Wasser, und elf Monate mit den Leuten zusammenzusein, das reicht mir; sobald es Juli wird, habe ich nur noch einen einzigen Traum: ich möchte Kühe sehn, Kühe und nochmals Kühe. Das ist sehr viel erholsamer, und da ich in Paris geboren bin, gehe ich alle Jahre auf ein anderes Dorf.«

    Notre-Dame-des-Halles

    Nein, niemals, nicht einmal in den besten Zeiten, ich meine: im elfen, zwölfen Jahrhundert, hat es eine Madonna gegeben, die sich mit der vergleichen ließe, welche sich heute in wilder Aufmachung und Hoheit mir gegenüber niedersetzte, als die Untergrundbahn eben die Station des Louvre verließ.
    Ihre Beine verbarg eine Glocke von Röcken, die wie die Volants der Zigeunerinnen einer über dem ändern lagen, doch diese hier von grünlich-bräunlicher Farbe und aus grobem Stoff, nicht zu gedenken, daß darüber sich Schürzen über Schürzen häufen, in jeglichem Blau, verwaschen von den Regengüssen und gebleicht von den Sonnen der letzten Jahre. Eine aus Packleinwand geschnittene Dalmatika umhüllte die Schultern, so daß die Ärmel der Baumwollbluse frei blieben, aus welchen zwei Holzhände vorragten, wie Waschschlegel, riesig, dunkelglänzend, feierlich schön. Wenn sie ruhen, haben die Hände der Arbeitenden für mich immer etwas Feierliches, etwas von der Hoheit heiliger Gegenstände, die man in den Kirchen ausstellt.
    Über dem allem der Kopf, hochgeschwungen wie eine drohende Faust, und das Gesicht schien diese herrische Herausforderung nicht Lügen strafen zu wollen; eine Herausforderung, dünkt mich, zur Ehrfurcht. Eine Besonderheit ließ meine Notre-Dame-des-Halles noch außerordentlicher erscheinen; das waren die zahllosen Etiketts, die mit Nadeln an dem Umschlag ihres Halsausschnittes befestigt waren und auch die Ärmel herunter, gleich Votivtäfelchen oder Denkzetteln, die sie um ein goldenes Herz gesteckt hatte, welches an einem Bande von ihrem Halse niederhing. Ihr zu Füßen, als Opfergaben, große Packen von Kohlköpfen, Rosenstecklingen, Walderdbeersträuchern, und statt jeden Weihrauchs ein starker Geruch nach Knoblauch und Rotwein.

    Noch einmal das Dienstbotenpaar

    Da sind sie wieder!
    Wir nur soll man dies wiedergeben, diesen Schritt, diese Harmonie, diesen Rhythmus der Treue gegen sich selbst und gegen einen anderen? Of schon sahen wir sie vorbeikommen. Jeden Morgen um die gleiche Stunde, wochenwie feiertags, ist es das gleiche Bild: er mit einer Mütze auf dem Kopf, sie unbedeckt. Und abends ebenfalls. Nein, ich wüßte keinen rührenderen Anblick für den Wächter, als der ich hier in meinem gläsernen Turmgelaß hocke und auf sie warte, bis sie dann

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