Parker Pyne ermittelt
erinnerte sie an ihre Jugend. Wie lange das alles her zu sein schien!
Die Arbeit war nach den vielen Jahren der Annehmlichkeiten recht hart, aber sie merkte bereits nach einer Woche, wie sie sich an das Leben auf dem Bauernhof gewöhnte.
Mrs Gardner war eine gut gelaunte, freundliche Frau. Ihr Ehemann, ein großer, schweigsamer Kerl, war ebenso freundlich. Der schmächtige, ungeschickte Mann vom Foto hatte die Farm verlassen und wurde durch einen neuen Knecht ersetzt, einen riesigen, gut gelaunten, fünfundvierzigjährigen Mann, der recht langsam sprach und ebenso langsam dachte. Doch in seinen stahlblauen Augen lag ein schüchternes Funkeln.
Die Wochen vergingen. Endlich kam der Tag, als Mrs Rymer genügend Geld für ein Ticket nach London zusammenhatte. Aber sie fuhr nicht. Sie verschob ihre Reise. Ich habe noch genug Zeit, dachte sie sich. Sie machte sich auch ein wenig Sorgen wegen der Irrenanstalt. Dieser Halunke, dieser Parker Pyne, war gerissen. Er würde einen Arzt zu der Behauptung bringen, sie wäre verrückt, und dann würde sie ratzfatz weggesperrt, ohne dass jemand davon erfuhr.
»Außerdem«, sagte sich Mrs Rymer, »ein wenig Abwechslung schadet niemandem.«
Sie stand früh auf und arbeitete hart. Joe Welsh, der neue Knecht, war in diesem Winter krank, und sie und Mrs Gardner pflegten ihn. Der große Kerl war geradezu mitleiderregend abhängig von ihnen.
Der Frühling kam – Ablammsaison. In den Hecken wuchsen Wildblumen heran, und das Wetter war trügerisch mild. Joe Welsh half Hannah bei ihrer Arbeit. Hannah hielt seine Kleidung in Ordnung.
An Sonntagen gingen sie manchmal zusammen spazieren. Joe war Witwer. Seine Frau war vor vier Jahren gestorben. Seit ihrem Tod hatte er oft zu tief in die Flasche geschaut, das gab er bereitwillig zu.
Er ging nicht mehr so oft ins Crown. Er kleidete sich neu ein. Mr und Mrs Gardner lachten.
Hannah zog Joe oft durch den Kakao. Sie nahm ihn wegen seiner Ungeschicklichkeit auf den Arm. Joe machte das nichts. Er wirkte ein wenig verlegen, aber glücklich.
Auf den Frühling folgte der Sommer – und dieses Jahr war es ein guter Sommer. Alle arbeiteten hart.
Die Ernte war eingebracht. An den Bäumen verfärbten sich die Blätter zu wundervollen Rot- und Goldtönen.
Es war der achte Oktober, als Hannah von einem Kohl aufsah, den sie gerade zurechtschnitt, und Mr Parker Pyne über den Zaun gebeugt sah.
»Du!«, sagte Hannah alias Mrs Rymer. »Du…«
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie ihm alles an den Kopf geworfen hatte, was sie ihm schon immer hatte sagen wollen. Atemlos hielt sie inne.
Mr Parker Pyne lächelte höflich. »Ich bin ganz Ihrer Meinung«, sagte er.
»Du bist ein Lügner und Betrüger, das bist du!«, sagte Mrs Rymer und wiederholte sich damit. »Du mit deinen Constantines und deiner Hypnose, und dieses arme Mädchen, Hannah Moorhouse, die mit Verrückten zusammengesperrt wurde!«
»Nein«, widersprach ihr Mr Parker Pyne. »In diesem Punkt schätzen Sie mich falsch ein. Hannah Moorhouse ist nicht in einem Irrenhaus, denn Hannah Moorhouse hat niemals existiert.«
»Tatsächlich?«, fragte Mrs Rymer. »Und was ist mit dem Foto, das ich mit eigenen Augen gesehen habe?«
»Eine Fälschung«, sagte Mr Pyne. »Das lässt sich recht einfach bewerkstelligen.«
»Und diese Geschichte über sie in der Zeitung?«
»Die ganze Zeitung war eine Fälschung, um auf natürliche Weise zwei Punkte einbringen zu können, die überzeugend klingen sollten. Das wurde erreicht.«
»Dieser Schurke, dieser Doktor Constantine?«
»Ein Pseudonym – ein Freund mit einem gewissen Talent als Schauspieler hatte es für diesen Fall angenommen.«
Mrs Rymer schnaubte. »Ha! Und ich wurde auch nicht hypnotisiert, nehme ich an?«
»Es ist tatsächlich so, dass Sie nicht hypnotisiert wurden. Sie haben mit Ihrem Kaffee ein Präparat aus wildem Cannabis zu sich genommen. Danach wurden Ihnen weitere Medikamente verabreicht, und Sie wurden im Auto hierhergebracht. Hier durften Sie dann wieder zu Bewusstsein kommen.«
»Dann war Mrs Gardner die ganze Zeit eingeweiht?«, fragte Mrs Rymer.
Mr Parker Pyne nickte.
»Von dir bestochen, nehme ich mal an! Oder mit Lügen überhäuft!«
»Mrs Gardner vertraut mir«, sagte Mr Pyne. »Ich habe vor einiger Zeit ihren einzigen Sohn vor einer langen Zuchthausstrafe bewahrt.«
Etwas in seiner Art ließ Mrs Rymer für einen Moment schweigen. »Was ist mit dem Muttermal?«, verlangte sie dann zu wissen.
Mr Pyne lächelte. »Es
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