Parker Pyne ermittelt
dem Koffer selbst waren die Initialen ›P.P.‹ eingraviert.
Bestürzung zeigte sich auf dem Gesicht der jungen Frau. Sie zögerte einen Moment und ging dann in ihr Abteil zurück. Dort nahm sie sich die Times zur Hand, die sie mit einigen Magazinen und Büchern auf den Tisch gelegt hatte.
Sie ließ ihren Blick über die Anzeigen auf der Titelseite gleiten, aber der Gegenstand ihrer Suche war nicht zu finden. Mit einem Stirnrunzeln begab sie sich in den Speisewagen.
Der Kellner wies ihr einen Platz an einem kleinen Tisch zu, an dem bereits eine Person saß – der Mann, mit dem sie im Gang fast zusammengestoßen war. Tatsächlich handelte es sich um den Besitzer des Schweinslederkoffers.
Elsie betrachtete ihn, ohne es sich anmerken zu lassen. Er schien recht angenehm zu sein, wirkte freundlich und auf unerklärliche Weise beruhigend. Sein zurückhaltendes Verhalten ließ auf einen Briten schließen, und er sprach sie erst an, als der Obstteller serviert worden war.
»Es ist hier immer furchtbar warm«, sagte er.
»Ich weiß«, sagte Elsie. »Ich wünschte, wir könnten ein Fenster öffnen lassen.«
Er schenkte ihr ein betrübtes Lächeln. »Unmöglich! Alle Anwesenden, uns ausgenommen, würden protestieren.«
Sie erwiderte sein Lächeln. Kein weiteres Wort fiel zwischen ihnen.
Der Kaffee wurde gereicht und die, wie immer unleserliche, Rechnung. Nachdem Elsie einige Scheine dazugelegt hatte, nahm sie plötzlich all ihren Mut zusammen und sprach ihn an.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte sie leise, »ich habe Ihren Namen auf Ihrem Koffer gelesen – Parker Pyne. Sind Sie – sind Sie zufälligerweise -?«
Sie zögerte, und er kam ihr schnell zu Hilfe.
»Ich glaube, ich bin es. Vorausgesetzt, Sie meinen – « Er zitierte die Anzeige, die Elsie mehr als einmal in der Times gelesen und die sie gerade vergebens gesucht hatte: »›Sind Sie glücklich? Wenn nicht, dann wenden Sie sich an Mr Parker Pyne.‹ Ja, ich bin derjenige, welcher.«
»Ich verstehe«, sagte Elsie. »Wie – wie außergewöhnlich!«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht wirklich. Außergewöhnlich aus Ihrer Sicht, aber nicht aus meiner.« Er lächelte sie beruhigend an und beugte sich dann zu ihr. Die meisten anderen Gäste hatten den Waggon mittlerweile verlassen. »Sie sind also unglücklich?«, fragte er.
»Ich – «, fing Elsie an, hielt aber inne.
»Sie hätten nicht ›wie außergewöhnlich‹ gesagt, wenn dem nicht so wäre«, gab er zu bedenken.
Elsie schwieg einen Moment. Die reine Anwesenheit von Mr Parker Pyne hatte sie auf seltsame Weise beruhigt. »Hm, nun ja«, gab sie schließlich zu. »Ich bin – unglücklich. Zumindest mache ich mir Sorgen.«
Er nickte verständnisvoll.
»Wissen Sie«, fuhr sie fort, »etwas sehr Merkwürdiges ist geschehen – und ich habe nicht die geringste Ahnung, was ich davon halten soll.«
»Vielleicht erzählen Sie mir davon«, schlug Mr Pyne vor.
Elsie dachte an die Anzeige. Sie und Edward hatten sich oft darüber unterhalten und gelacht. Sie hätte nie gedacht, dass sie… vielleicht sollte sie nicht… Wenn Mr Parker Pyne nun ein Scharlatan war… Aber er sah so – nett! – aus.
Elsie traf eine Entscheidung. Sie würde alles tun, um diese Sorgen endlich loszuwerden.
»Ich erzähle es Ihnen. Ich reise nach Konstantinopel zu meinem Ehemann. Er betreibt Handel mit dem Orient und sah sich dieses Jahr gezwungen, dort hinzuziehen. Er ist vor zwei Wochen abgereist. Er sollte alles für meine Ankunft vorbereiten, und ich freue mich schon sehr darauf. Wissen Sie, ich bin noch niemals im Ausland gewesen. Wir leben seit sechs Monaten in England.«
»Sie und Ihr Ehemann sind Amerikaner?«
»Ja.«
»Und Sie sind möglicherweise noch nicht lange verheiratet?«
»Wir sind seit anderthalb Jahren verheiratet.«
»Glücklich?«
»Oh, ja! Edward ist ein absoluter Schatz.« Sie zögerte. »Er ist vielleicht nicht besonders offen. Er ist, nun – ich, ich nenne es sittenstreng. Puritanische Vorfahren und so. Aber er ist ein Schatz«, fügte sie eilig hinzu.
Mr Parker Pyne blickte sie ein oder zwei Sekunden nachdenklich an und sagte dann: »Fahren Sie fort.«
»Es passierte etwa eine Woche, nachdem Edward aufgebrochen war. Ich schrieb gerade einen Brief in seinem Arbeitszimmer, und ich bemerkte, dass das Löschpapier ganz neu und sauber war, abgesehen von ein paar gekritzelten Zeilen. Ich hatte gerade einen Kriminalroman gelesen, in dem ein Hinweis auf dem Löschpapier gefunden worden war, und
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