Parker Pyne ermittelt
Schmuckschatulle hochgenommen. »Oh!«, rief sie. »Sie ist offen.«
»… Et je porterai plainte à la Compagnie des Wagons-Lits«, beendete die slawische Dame ihren Ausbruch.
»Alles ist weg!«, schrie Elsie. »Alles! Mein Diamantarmband. Und die Halskette, die Papa mir geschenkt hat. Und die Smaragd- und Rubinringe. Und einige wunderschöne Diamantbroschen. Gott sei dank habe ich meine Perlen getragen. Oh, Mr Pyne, was sollen wir bloß machen?«
»Wenn Sie die Freundlichkeit hätten, den Schaffner zu holen«, sagte Mr Parker Pyne, »werde ich dafür sorgen, dass diese Frau das Abteil nicht vor seiner Ankunft verlässt.«
»Scélérat! Monstre!«, schrie die slawische Dame. Sie setzte ihre Beschimpfungen fort. Der Zug fuhr in den Bahnhof von Venedig ein.
Die Ereignisse der nächsten halben Stunde lassen sich kurz zusammenfassen. Mr Parker Pyne sprach in mehreren Sprachen mit verschiedensten Beamten – und erlitt eine Niederlage. Die verdächtigte Dame erlaubte es, sie zu durchsuchen – und behielt eine weiße Weste. Sie hatte die Juwelen nicht bei sich.
Auf dem Weg von Venedig nach Triest besprachen Mr Parker Pyne und Elsie den Fall.
»Wann genau haben Sie Ihre Juwelen das letzte Mal gesehen?«
»Heute Morgen. Ich habe meine Saphirohrringe weggepackt, die ich gestern getragen hatte. Ich habe ein Paar schlichter Perlenohrringe herausgenommen.«
»Und die Juwelen waren alle noch vorhanden?«
»Nun, ich habe sie natürlich nicht alle kontrolliert. Aber es schien wie immer auszusehen. Ein Ring hätte vielleicht fehlen können, aber nicht mehr.«
Mr Parker Pyne nickte. »Und was war heute Morgen, als der Schaffner das Abteil in Ordnung brachte?«
»Da hatte ich die Schatulle mitgenommen – in den Speisewagen. Ich nehme sie immer mit. Ich habe sie noch nie im Abteil zurückgelassen, außer als ich heute aus dem Abteil rannte.«
»Demzufolge«, sagte Mr Parker Pyne, »muss die unschuldige, in ihrem Stolz verletzte Madame Subayska, oder wie immer sie sich nannte, der Dieb gewesen sein. Aber was in aller Welt hat sie mit den Sachen gemacht? Sie war nur anderthalb Minuten hier drinnen – genügend Zeit, um die Schatulle mit einem Nachschlüssel zu öffnen und die Sachen herauszunehmen – aber was dann?«
»Könnte sie sie jemand anderem gegeben haben?«
»Schwerlich. Ich bin umgekehrt und den Gang entlanggegangen. Wenn jemand aus diesem Abteil gekommen wäre, dann hätte ich ihn gesehen.«
»Vielleicht hat sie sie jemandem aus dem Fenster zugeworfen?«
»Eine sehr gute Idee. Leider fuhren wir gerade über dem Meer. Wir waren auf der Brücke.«
»Dann muss sie sie irgendwie im Abteil versteckt haben.«
»Lassen Sie uns danach suchen.«
Mit typisch transatlantischer Begeisterung begann sich Elsie umzusehen. Mr Parker Pyne nahm an der Untersuchung nur halbherzig teil. Als sie ihm dies vorhielt, entschuldigte er sich.
»Ich denke, ich muss in Triest ein relativ wichtiges Telegramm aufgeben«, erklärte er.
Elsie nahm seine Erklärung mit wenig Verständnis auf. Mr Parker Pyne war in ihrem Respekt stark gesunken.
»Ich bedaure, dass Sie nun auf mich wütend sind, Mrs Jeffries«, sagte er kleinlaut.
»Nun, Sie sind nicht besonders erfolgreich gewesen«, warf sie ihm vor.
»Aber, Verehrteste, Sie müssen daran denken, dass ich kein Detektiv bin. Diebstahl und Verbrechen liegen mir nicht. Mein Fachgebiet sind die Höhen und Tiefen menschlicher Gefühle.«
»Nun, ich war ein wenig unglücklich, als ich in den Zug stieg«, sagte Elsie, »aber das war nichts im Vergleich zu jetzt! Ich könnte stundenlang heulen. Mein wunderschönes Armband – und der Smaragdring, den mir Edward zur Verlobung geschenkt hat.«
»Aber Sie sind doch bestimmt gegen Diebstahl versichert?«, schaltete sich Mr Parker Pyne ein.
»Bin ich das? Ich weiß es nicht. Ja, ich nehme es mal an. Aber der ideelle Wert, Mr Pyne …«
Der Zug wurde langsamer. Mr Parker Pyne schaute aus dem Fenster. »Triest«, sagte er. »Ich muss mein Telegramm aufgeben.«
»Edward!« Elsie strahlte über das ganze Gesicht, als sie ihren Ehemann am Bahnsteig in Istanbul auf sie zurennen sah. Einen Augenblick lang war sogar der Verlust ihrer Juwelen vergessen. Sie vergaß die seltsamen Worte, die sie auf dem Löschpapier entdeckt hatte. Sie vergaß einfach alles, außer der Tatsache, dass sie ihren Ehemann seit zwei Wochen nicht gesehen hatte und dass er, wenn er auch ein wenig nüchtern und prüde war, doch wirklich sehr gut aussah.
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