Parker Pyne ermittelt
daher habe ich es, einfach so aus Spaß, vor den Spiegel gehalten. Es war wirklich nur Spaß, Mr Pyne – ich meine, ich habe Edward nicht nachspioniert oder so was. Ich meine, er ist ein so unschuldiges Wesen, dass man bei ihm nicht mal im Traum an so etwas denken könnte.«
»Ja, natürlich, ich verstehe Sie vollkommen.«
»Das Ding war recht einfach zu entziffern. Zuerst stand dort das Wort ›Ehefrau‹, dann ›Simplon Express‹ und weiter unten: ›kurz vor Venedig wäre der beste Zeitpunkt.‹« Sie schwieg.
»›Kurz vor Venedig wäre der beste Zeitpunkt‹«, wiederholte Mr Parker Pyne. »Ausgesprochen merkwürdig.«
Mrs Jeffries beugte sich zu ihm vor, und in ihrem Blick lag nicht nur Erwartung, sondern er wirkte auch schmeichelhaft. »Was soll ich tun?«, fragte sie schlicht.
»Ich befürchte«, sagte Mr Parker Pyne, »dass wir einfach bis kurz vor Venedig warten müssen.« Er nahm eine Broschüre vom Tisch. »Das hier ist der Fahrplan für unseren Zug. Er erreicht Venedig morgen Nachmittag um zwei Uhr siebenundzwanzig.«
Ihre Blicke trafen sich.
»Überlassen Sie das mir«, sagte Parker Pyne.
Es war fünf nach zwei. Der Simplon Express hatte eine Verspätung von elf Minuten. Er war vor einer Viertelstunde an Mestre vorbeigefahren. Mr Parker Pyne saß mit Mrs Jeffries in ihrem Abteil. Bis jetzt war die Reise angenehm und ohne Zwischenfall verlaufen. Doch nun war vermutlich der Zeitpunkt gekommen, an dem etwas geschehen würde. Mr Parker Pyne und Elsie schauten sich an. Ihr Herz schlug rasend schnell, und sie konnte ihren Blick nicht von ihm lösen. Ihr Gesichtsausdruck verriet ihre inständige Bitte, sie zu beruhigen.
»Bleiben Sie ganz ruhig«, sagte er. »Sie sind absolut sicher. Ich bin hier.«
Plötzlich hörten sie vom Flur einen Schrei.
»Oh, schauen Sie – schauen Sie! Der Zug brennt!«
Mit einem Sprung waren Elsie und Mr Parker Pyne auf dem Gang. Eine offensichtlich aufgeregte, slawisch wirkende Frau zeigte mit dramatischer Geste auf die Gefahr. Aus einem der vorderen Abteile drang dichter Rauch. Mr Parker Pyne und Elsie rannten den Gang entlang. Andere schlossen sich ihnen an. Das betroffene Abteil war voller Rauch. Die Ersten vor Ort wichen hustend zurück. Der Schaffner tauchte ebenso auf.
»Das Abteil ist leer!«, schrie er. »Bitte machen Sie sich keine Sorgen, messieurs et dames. Le feu, man wird es unter Kontrolle bringen.«
Ein Dutzend aufgeregter Stimmen ertönte. Fragen wurden gestellt und ebenso viele Antworten geboten. Der Zug überquerte gerade die Brücke, die Venedig mit dem Festland verbindet.
Plötzlich drehte sich Mr Parker Pyne um, kämpfte sich den Weg frei durch die kleine Gruppe von Zuschauern, die sich hinter ihm befand, und eilte in Elsies Abteil. Die Dame mit dem slawisch wirkenden Gesicht saß dort und atmete am offenen Fenster tief ein.
»Entschuldigen Sie bitte, Madame«, sagte Parker Pyne. »Aber dies ist nicht Ihr Abteil.«
»Ich weiß, ich weiß«, sagte die slawische Dame. »Pa r don. Es ist der Schock, die Aufregung – mein Herz.« Sie ließ sich auf den Sitz fallen und deutete auf das Fenster. Sie atmete keuchend und tief ein.
Mr Parker Pyne blieb im Türrahmen stehen. Seine Stimme klang beruhigend und väterlich. »Sie brauchen keine Angst zu haben«, sagte er. »Ich habe keinen Augenblick lang befürchtet, dass es sich um ein wirklich bedrohliches Feuer handelt.«
»Nicht! Ah, das ist ein Segen! Ich fühle mich schon besser.« Sie versuchte aufzustehen. »Ich werde in mein Abteil zurückkehren.«
»Noch nicht.« Mr Parker Pyne drückte sie sanft zurück auf ihren Sitz. »Ich muss Sie darum bitten, noch einen Augenblick zu warten, Madame.«
»Monsieur, das ist ein Skandal!«
»Madame, Sie werden hierbleiben.«
Seine Stimme klang nun eiskalt. Die Frau blieb sitzen und starrte ihn an. Elsie gesellte sich zu ihnen.
»Es war anscheinend nur eine Rauchbombe«, sagte sie atemlos. »Ein wirklich lächerlicher Streich. Der Schaffner tobt. Er fragt jeden – « Sie verstummte und starrte die zweite Person im Abteil an.
»Mrs Jeffries«, sagte Mr Parker Pyne, »was tragen Sie in Ihrer kleinen scharlachroten Schatulle mit sich?«
»Meine Juwelen.«
»Vielleicht wären Sie so freundlich nachzusehen, ob sich noch alles an seinem Platz befindet.«
Sofort brach ein Sturm der Entrüstung aus der slawischen Dame hervor. Sie wechselte ins Französische, um ihrer Empörung besser Ausdruck verleihen zu können.
In der Zwischenzeit hatte Elsie die
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