Parker Pyne ermittelt
Untertreibung! Einen Mann hat es erwischt. Glauben Sie mir, ich sage die Wahrheit! Er schlief im Wagen, und sein Kopf knallte gegen die Decke, und das hat ihn umgebracht.«
»Im Dreiachser, Mr O’Rourke?«, fragte die ältere Miss Pryce.
»Nein – nicht im Dreiachser«, gab der junge Mann zu.
»Aber wir müssen uns doch auch Sehenswürdigkeiten anschauen«, rief Netta.
Ihre Tante zog einen Reiseführer hervor.
Netta entfernte sich geschickt von ihrer Seite.
»Ich weiß, dass sie diesen Ort besuchen will, wo der Apostel Paulus durch ein Fenster geflohen ist«, flüsterte sie. »Und ich möchte doch so gerne den Basar sehen.«
O’Rourke reagierte sofort.
»Kommen Sie mit mir. Wir gehen erst mal diese Straße entlang, die Gerade – «
Sie schlenderten los.
Mr Parker Pyne wandte sich an einen schweigsamen Mann, der neben ihm stand. Er hieß Hensley und gehörte zur Abteilung öffentlicher Bauvorhaben in Damaskus.
»Damaskus wirkt beim ersten Besuch immer ein wenig enttäuschend«, sagte Mr Pyne entschuldigend. »Ein wenig zu zivilisiert. Straßenbahnen und moderne Häuser und Geschäfte.«
Hensley nickte. Er war ein Mann weniger Worte.
»Man glaubt, man wäre am Ende der Welt, ist man aber nicht«, war sein knapper Kommentar.
Ein weiterer Mann schlenderte zu ihnen herüber. Der blonde, junge Mann trug die Krawatte eines ehemaligen Schülers des Eton College. Er hatte ein recht liebenswürdiges, wenn auch zuweilen ausdruckslos wirkendes Gesicht, das in diesem Moment gerade Besorgnis ausdrückte. Er und Hensley arbeiteten in derselben Abteilung.
»Hallo, Smethurst«, sagte sein Freund. »Haben Sie etwas verloren?«
Captain Smethurst schüttelte den Kopf. Er war ein junger Mann mit einem recht bescheidenen Intellekt.
»Sehe mich nur gerade um«, sagte er ausweichend. Dann schien er sich zusammenzureißen. »Sollten heute Abend mal ordentlich feiern, hm?«
Die beiden Freunde verabschiedeten sich. Mr Parker Pyne kaufte sich eine Lokalzeitung in französischer Sprache.
Sie enthielt nicht viel von Interesse. Die regionalen Nachrichten waren für ihn ohne Belang, und im Rest der Welt schien nichts Bedeutsames geschehen zu sein. Er entdeckte einige Absätze mit der Überschrift London.
Im ersten ging es um wirtschaftliche Themen. Der zweite warf die Frage nach dem Aufenthaltsort von Mr Samuel Long auf, dem Vertragsbrüchigen Finanzier. Die von ihm unterschlagene Summe belief sich mittlerweile auf über drei Millionen, und Gerüchten zufolge hielt er sich in Südamerika auf.
»Gar nicht schlecht für einen Mann, der gerade erst dreißig geworden ist«, sagte Mr Parker Pyne zu sich selbst.
»Wie bitte?«
Parker Pyne wandte sich zu einem italienischen General um, der sich auch auf der Fähre von Brindisi nach Beirut befunden hatte.
Mr Parker Pyne erklärte ihm seine Bemerkung. Der italienische General nickte mehrfach.
»Er ist ein schlimmer Krimineller, dieser Kerl. Selbst in Italien hat er Schaden angerichtet. Auf der ganzen Welt sind die Menschen auf ihn hereingefallen. Er ist wohl auch ein gebildeter Mann, so sagt man zumindest.«
»Nun, er hat in Eton und Oxford studiert«, sagte Mr Parker Pyne vorsichtig.
»Wird man ihn erwischen? Was meinen Sie?«
»Kommt darauf an, wie viel Vorsprung er hatte. Er könnte noch in England sein. Er könnte – überall sein.«
»Selbst hier bei uns?«, meinte der General lachend.
»Möglicherweise.« Mr Parker Pyne blieb ernst. »Nach allem, was Sie wissen, General, könnte ich der Mann sein.«
Der General sah ihn verwirrt an. Dann entspannte sich sein dunkles, olivenfarbenes Gesicht, und er lächelte verständnisvoll.
»Ah! Das ist sehr gut – wirklich sehr gut. Aber Sie – «
Sein Blick wanderte von Mr Parker Pynes Gesicht nach unten.
Mr Parker Pyne interpretierte seinen Blick richtig.
»Sie sollten sich nicht von Äußerlichkeiten täuschen lassen«, sagte er. »Ein wenig – ähem – Körperfülle- lässt sich leicht herbeizaubern und die Person auch noch älter aussehen.«
Er fügte verträumt hinzu:
»Dann gibt es natürlich noch Haarfärbemittel, die Gesichtsfarbe lässt sich verändern, und ja, sogar ein Nationalitätenwechsel ist möglich.«
General Poli zog sich zweifelnd zurück. Er verstand nie, wann ein Engländer es ernst meinte und wann nicht.
Mr Parker Pyne gönnte sich an diesem Abend ein wenig Unterhaltung in Form eines Kinobesuchs. Anschließend zeigte man ihm den Weg zu einem ›Palast der nächtlichen Vergnügungen.‹ Auf ihn
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