Parker Pyne ermittelt
betonte.
»Und die andere Dame?«, fragte er müßig.
»Die andere Dame – sie ist tot.«
Etwas in seiner Stimme ließ Mr Parker Pyne plötzlich aufblicken.
»Ich habe ein ‘erz«, sagte Monsieur Rousseau. »Ich empfinde. Für mich war sie wunderschön, die Dame. Sie wissen, wie das ist, diese Gefühle überkommen einen, ganz plötzlich. Sie war eine Blume – eine Blume.« Er seufzte tief. »Besucht habe ich sie einmal – in ihrem ‘aus in Schiraz. Lady Esther, sie hat mich eingeladen. Meine Kleine, meine Blume, sie ‘atte vor etwas Angst. Ich konnte es sehen. Als ich das nächste Mal von Bagdad ‘ierher kam, erfahre ich, dass sie tot ist. Tot!«
Er hielte inne und sagte dann nachdenklich. »Könnte sein, dass die andere sie umgebracht hat. Sie war verrückt, das sage ich Ihnen!«
Er seufzte, und Mr Parker Pyne bestellte zwei Kräuterliköre.
»Der Curaçao, der ist gut«, sagte der georgische Kellner und brachte ihnen zwei Curaçao.
Kurz nach Mittag sah Mr Parker Pyne Schiraz zum ersten Mal. Sie waren über die Gebirgszüge mit ihren schmalen, wüsten Tälern geflogen und hatten die ausgetrocknete, unfruchtbare, langweilige Wildnis überquert. Dann sahen sie Schiraz plötzlich vor sich – ein smaragdgrünes Juwel inmitten der Wüste.
Mr Parker Pyne genoss Schiraz, nachdem ihn Teheran so enttäuscht hatte. Die Schlichtheit seines Hotels schockierte ihn nicht und auch nicht die ebenso schlichten Straßen.
Er war mitten in die persischen Feiertage geraten. Das Nouruz-Festival hatte am Abend zuvor begonnen – die fünfzehntägige Periode, während der die Perser das neue Jahr feiern. Er schlenderte durch die leeren Basare auf dem großen Gemeindegrundstück an der nördlichen Seite der Stadt. Ganz Schiraz feierte.
Eines Tages ging er direkt vor die Stadt. Er hatte das Grab von Hafiz, dem Dichter, besucht, und befand sich gerade auf dem Rückweg, als er ein faszinierendes Haus sah. Ein Haus, das komplett in blauen, rosafarbenen und gelben Kacheln gehalten war, umgeben von einem Garten mit Wasser, Orangenbäumen und Rosen. Es war, so schien es ihm, wie ein Haus aus einem Traum.
An diesem Abend speiste er beim englischen Konsul und fragte nach dem Haus.
»Faszinierendes Plätzchen, nicht wahr? Es wurde von einem früheren, reichen Gouverneur von Luristan errichtet, der aus seiner offiziellen Position einiges herausgeholt hatte. Jetzt gehört es einer Engländerin. Sie haben von ihr bestimmt schon gehört. Lady Esther Carr. Vollkommen verrückt. Ist zur Einheimischen geworden. Will mit nichts und niemandem aus Großbritannien etwas zu tun haben.«
»Ist sie noch jung?«
»Zu jung, um sich auf diese Weise zum Narren zu machen. Sie ist etwa dreißig.«
»Da war doch noch eine Engländerin bei ihr, nicht wahr? Eine Frau, die gestorben ist?«
»Ja, das war vor etwa drei Jahren. Es geschah an dem Tag, nachdem ich hier meinen Posten angetreten hatte, um genau zu sein. Barham, mein Vorgänger, ist plötzlich gestorben, wissen Sie.«
»Wie ist sie gestorben?«, fragte Mr Parker Pyne direkt.
»Ist von dem kleinen Innenhof oder Balkon im ersten Stock runtergefallen. Sie war Lady Esthers Dienstmädchen oder Begleiterin, ich weiß es nicht mehr. Auf jeden Fall trug sie das Frühstückstablett und ist über den Rand getreten. Ziemlich traurig; konnte man nichts mehr machen; hatte sich den Schädel auf den Steinen gebrochen.«
»Wie hieß sie noch gleich?«
»King, glaube ich; oder war es Wills? Nein, das war diese Missionarsfrau. Sah ziemlich nett aus.«
»Hat das Lady Esther mitgenommen?«
»Ja – nein, ich weiß es nicht. Sie war sehr seltsam; ich bin aus ihr nicht schlau geworden. Sie ist eine – nun, gebieterische Person. Man merkt schnell, dass sie ganz schön was hermacht, wenn Sie verstehen, was ich meine; sie hat mich mit ihrer herrischen Art und ihren dunklen, böse funkelnden Augen ziemlich eingeschüchtert.«
Sein Lachen klang fast so, als ob er sich zu rechtfertigen versuchte, und dann schaute er sein Gegenüber neugierig an. Mr Parker Pyne starrte offensichtlich ins Leere. Das Streichholz, das er gerade angezündet hatte, flackerte unbeachtet in seiner Hand. Es brannte bis zum Finger herab, und er ließ es mit einem Schmerzensschrei fallen. Dann sah er den überraschten Gesichtsausdruck des Konsuls und lächelte.
»Ich bitte um Entschuldigung«, sagte er.
»Sie hatten wohl gerade einen Tagtraum, hm?«
»Drei Beutel voll«, war Mr Parker Pynes rätselhafte Antwort.
Sie sprachen
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