Parrish Plessis 02 - Code Noir
weil mir die Überwachungsmethoden der Medien missfielen. Die Armen, die Verrückten, die Kriminellen, jeder, sogar die Kranken hatten gegenüber den Reichen in der Superstadt einen Vorteil: Die Medien konnten sie nicht ihrer Freiheit berauben.
Das Einzige, was den Medien blieb, war, den Tert aus der Luft zu observieren.
Ich trat einen Schritt zurück und beobachtete, wie der Glasturm Ikes Körper mit sich in die Höhe hob. Erst fielen Teile des Exoskeletts hinab, dann rohes Menschenfleisch. Das Ganze erinnerte mich an ein Tier, das ausgenommen und gehäutet wurde.
Ich blieb, so lange ich den Anblick ertragen konnte.
Ikes Tod würde Roo nicht zurück bringen. Und es würde auch nicht die Welt verbessern, in der ich lebte und über die ich soeben wieder etwas Neues gelernt hatte. Sein Tod vertrieb nicht die Wut, die Trauer und die Schuldgefühle. Doch zumindest hatte ich nun die Gewissheit, dass Ike keine neuen Monster mehr erschaffen würde.
Ich war aber noch nicht am Ende meines Weges angelangt. Das zu Ende zu bringen, was ich begonnen hatte, erschien mir in jenem Moment wichtiger als alles andere.
Ich hatte eine Mission zu erfüllen.
Das Kompassimplantat und mein Orientierungsvermögen führten mich zu der Villa zurück, in der ich Tulu entdeckt hatte. Die ständigen Schmerzen und der Flüssigkeitsverlust hatten mich geschwächt, aber ich war entschlossen, dieser Voodoo-Schlampe den Garaus zu machen. Tulu befand sich noch immer dort oben auf dem Balkon. Ich fühlte Marinettes Macht.
Langsam schob ich die Balkontür ein Stück auf und spähte hinaus. Als sich Tulu urplötzlich umdrehte und in meine Richtung starrte, wich ich zurück wie ein Kind, das man beim Lauschen ertappt hatte. Ihre Augen hatten nichts Menschliches mehr an sich.
Marinette reitet Tulu, dachte ich, und die Loa-Göttin ist mächtig angepisst.
Meine Schuhe tränkten sich mit etwas Nassem. Ich blickte hinab und sah, dass ich in einer Blutlache stand. Es war mein eigenes Blut. Ich wollte mich hinlegen und schlafen – es wäre so einfach gewesen in jenem Moment einfach zu sterben -; aber mein Starrsinn hielt mich aufrecht.
Noch nicht!
Tulu patrouillierte auf dem Balkon auf und ab. Ihre Finger zitterten, und ihre Arme zuckten wild in der Luft herum. Aus ihrem Mund drangen unverständliche Laute.
Als sie sich mir näherte, warf ich die Tür auf und stürzte mich auf sie, doch meine Beine gehorchten mir nicht. Ich fiel der Länge nach auf den harten Beton. Tulu riss den Schlagstock in die Höhe, der an ihrem Gürtel hing, und drosch mit aller Kraft auf mich ein. Erst brachen meine Finger, die ich schützend vor das Gesicht hob, dann meine Wangenknochen und mein Kiefer.
Ich stöhnte.
Und ich konnte nichts tun, um Tulu aufzuhalten. Mein Bewusstsein schwand, und beinahe hätte ich mich aufgegeben, doch da sprang ein Tier Tulu an und krallte sich in ihrem Gesicht fest. Sie schleuderte es achtlos von sich, ohne die Wunden zu spüren, die das Tier ihr zugefügt hatte. Die Loa-Göttin machte sie schmerzunempfindlich.
Das Tier landete auf dem Boden, direkt neben meinem Kopf.
Loser!
Tulu trat mit dem Fuß auf seinen Kopf und zermalmte ihn auf dem Betonboden. Loser rührte sich nicht mehr.
Ich spürte, wie seine Präsenz in meinem Geist erlosch. Die körperlichen und seelischen Schmerzen überstiegen nun jedes erträgliche Maß. Eine pechschwarze Dunkelheit legte sich über meinen Geist, die alles zu verschlucken schien.
Trotzdem versuchte mein Gehirn, meinem Körper noch Befehle zu erteilen.
Ablenkung! Wenn Tulu ihre ganze Aufmerksamkeit auf mich richtete und nicht auf die Cabal, dann würde ihnen das sicherlich helfen.
Ich musste nur noch ein wenig länger durchhalten. Und es gab nur einen Weg, jetzt nicht auf der Stelle zu sterben.
Ich umklammerte den Eskaalim mit meinem Geist.
Ich muss leben, flehte ich ihn an. Ich muss so lange leben, bis sie ihre Kräfte einsetzt, um mich zu töten! Ich muss leben, bis…
Die Welt erstrahlte plötzlich in einem hellen Licht. Das musste das Ende sein.
Bitte…
Der Engel erhob sich vor meinen Augen, triumphierend, gigantisch. Blut tropfte von seinen goldenen Schwingen.
Nun ist es endlich so weit, Mensch. Die Verwandlung kann beginnen.
Ich hatte vielleicht keine ehrenhafte Entscheidung getroffen, doch für Ehre war in meinen Gedanken derzeit wahrlich kein Platz. Tulu, Ike und ihre Partner bei den Medien würden meine Welt nicht zerstören, selbst wenn ich den höchsten Preis dafür bezahlen
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