Parrish Plessis 02 - Code Noir
weiteres Glas.
»Ich werde einen längeren Urlaub machen«, offenbarte ich ihm.
Plötzlich saß Ibis wieder kerzengerade vor mir.
»Das kanns’su nich’ tun!«, schimpfte er empört.
Ich kippte einen Tequila herunter. Danach setzte ich sofort das nächste Glas an. »Ich kann. Und ich werde es tun!«
Wir blickten uns grimmig an wie zwei Schulkinder, die kurz davor standen, sich die Haare zu zerraufen. So saßen wir regungslos da, bis Links Schatten auf den Tisch fiel. Ich hatte ihn nicht mehr gesehen, seit ich nach Mo-Vay aufgebrochen war. Er war größer, als ich ihn in Erinnerung hatte. Die Atemmaske, die um seinen Hals hing, schien ihm nicht mehr richtig zu passen.
»Kann ich mich kurz draußen mit dir unterhalten?«, fragte er.
Nein, geh weg, lass mich in Ruhe!
»Ja.« Ich stand auf und legte eine Hand automatisch auf die Pistole. »Warum können wir uns nicht hier drinnen unterhalten?«
»Bitte.«
Ich blickte kurz zu Ibis hinüber. Er stützte den Kopf auf die Hände und beklagte seine Kopfschmerzen.
Link ging voraus. Wir gingen aus der Bar hinaus in eine der kleinen Nebenstraßen hinein. Es war die gleiche Straße, in der mir der Raubvogelpilot die Hautfetzen von Ike übergeben hatte. Doch dieses Mal erwartete mich kein Verhör-Mecha, sondern Glida.
»Glida?« Ich sah die beiden fragend an. »Ihr kennt euch?«
Link sprach als erster. »Jeder weiß, dass du weitere von unserer Art aus Dis hierher gebracht hast. Ich… Ich dachte, wir sollten uns kennen lernen.«
Das überraschte mich. Der Junge war schlauer, als ich vermutet hatte. Vielleicht würde sich das Problem mit den Masoops von ganz alleine lösen. Links Vorstoß hätte mich beruhigt, wenn Glidas Augen nicht noch immer geschwollen gewesen wären; sie hatte wieder geweint.
»Was ist mit dir?«, fragte ich sanft.
»Sie haben Wombebe…«
Mein Herz zerbrach. »Wer?«
»Sie haben gesagt, ich soll dir das hier geben.« Sie hielt mir einen Ohrstöpsel entgegen.
Ich schob ihn mit zitternden Fingern in mein Ohr. Es war kein Aufnahmegerät, sondern nur dazu gedacht, kurze Nachrichten abzuspielen. Die Stimme, die krachend aus dem Lautsprecher kam, erkannte ich schnell. Sie war mir nur allzu gut im Gedächtnis geblieben. Es war die Journalistin aus dem Raubvogel.
»Das, was Sie dort gesehen haben; das, worüber Sie nun alles wissen – wir nennen es Designer-Sklaverei. Oder kurz: Code Noir. Ich kann alleine nichts dagegen ausrichten. Ich habe das Kind. Bleiben Sie am Ball, und ich werde sie ihnen unbeschadet zurückgeben. Das Spiel ist noch nicht vorbei.«
Eine kurze Pause, dann fuhr die Frau fort:
»… da ist noch etwas, das Sie wissen sollten. Sie haben sich nicht verwandelt. Er hat gelogen. Ich weiß es, weil ich selbst dort war.«
Der Ohrstöpsel fiel auf den Boden.
Loyl Daac hatte mich angelogen?
Warum sollte er das getan haben?
Ich starrte Link und Glida an und versuchte, das zu verstehen, was ich soeben gehört hatte. Wenn ich mich nicht verwandelt hatte, dann hatte ich also noch immer die Kontrolle über mich selbst. Es gab noch eine Möglichkeit, die Dinge zu ändern.
Und ich hatte noch lange nicht aufgegeben.
Plötzlich hielt ich mein Leben wieder in den eigenen Händen. Ich befreite mich aus dem Griff des Eskaalim, und meine Gefühle und Emotionen kamen wieder an die Oberfläche. Ich hörte beinahe den langen, verzweifelten Aufschrei des Parasiten, als ich ihn wieder in die Tiefen meines Bewusstseins verbannte.
Ich setzte Glida auf meine Schultern und machte mich zum Aufbruch bereit.
Ich war wieder im Spiel.
Und ich konnte noch immer gewinnen.
Danksagung
Code Noir ist die schwärzeste Stunde dieser Serie, und ich bedanke mich bei den ROR-ettes, Lyn Uhlmann, Launz Burch, Tara Wynne und Ben Sharpe (ich hoffe, dass wir dies eines Tages wiederholen können, Ben) für ihre Hilfe.
Ganz besonderen Dank schulde ich wie immer Rose, Nicci und Paul.
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