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Parrish Plessis 02 - Code Noir

Parrish Plessis 02 - Code Noir

Titel: Parrish Plessis 02 - Code Noir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne de Pierres
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zu mir hinüber.
    Obwohl die Strömung nicht mehr so stark war, dauerte das Übersetzen eine Weile. Vom Ufer aus hatten die Cabal landeinwärts einen Pfad durch den giftigen Modder gegraben, den das Wasser zurückgelassen hatte.
    Ich ging zu dem Lagerfeuer und zeigte den Cabal mit einem kurzen Nicken meine Dankbarkeit. Sie rauchten und unterhielten sich leise, hießen mich aber nicht in ihrem Kreis willkommen. Doll Feast hatte Recht mit der Behauptung gehabt, dass die Cabal ein Männer-Club waren. Aber ich verspürte auch nicht länger das Bedürfnis, mich ihnen anzuschließen. Ich legte den Männern den Dolch zu Füßen und verabschiedete mich wortlos.
    Nicht weit von ihnen erwartete mich Glida-Jam. Sie saß im Schatten einer von Reben überwucherten Villa und wiegte Wombebe in ihren Armen. Anscheinend hatte sie geweint; ihre Augen waren geschwollen.
    Ich konnte sie nicht ansehen.
    Wombebe sah mich kommen und rannt sofort auf mich zu. Ich kniete mich hin, und das Masoop-Weibchen umarmte mich innig. Das gab mir Zeit, meine Gedanken und Erinnerungen zu ordnen.
    Mit gebrochener Stimme erzählte sie mir aufgeregt, was geschehen war. Als ihr bewusst wurde, dass ich alleine war, hielt sie abrupt inne. »Tug?«, fragte sie.
    Unwissend zog ich die Schultern hoch. »Ich weiß es nicht.«
    Wombebe schloss die Augen, als könne sie Tug allein mit der Kraft ihrer Gedanken finden.
    »Tug ist nicht mehr da. Und Roo auch nicht«, sagte sie traurig.
    Ich wandte mich an Glida. »Ich habe Tug befohlen, auf mich zu warten und möglichst viele Leute in die Boote zu bringen. Und dann dachte ich, er hätte mir geholfen, als ich mich…« Ich brach den Satz verwirrt ab. »Ich dachte, er hätte mich geheilt…«
    Glida hörte mir schweigend zu; doch sie gewährte mir nicht die Vergebung, nach der es meinem Gewissen verlangte.
    Niedergeschlagenheit drückte meine Stimmung. Zu viele waren gestorben: die Karadji, Tug, Loser. Ich begriff nicht, warum sie ihr Leben für mich gelassen hatten. Eines solchen Opfers war ich nicht würdig.
    »Warum ist Roo mir gefolgt?« Ich musste diese Frage einfach stellen.
    Glidas Lippen zitterten. Ihre seelische Zerrissenheit traf mich schlimmer als alle Schmerzen, die ich bisher hatte ertragen müssen.
    »Er is’ nich’ dir gefolgt. Roo wollte den Doktor finden«, sagte Glida schließlich.
    Natürlich. Roo hatte Doc Del Morte stellen wollen.
    Es überraschte mich, mit welcher Arroganz und Blindheit ich diese Möglichkeit bisher außer Acht gelassen hatte. Andererseits konnte ich mich auch schlecht in ein Robokid hineinversetzen: Ich hatte keine mechanischen Arme und künstlichen Organe, und ich wusste nicht, wie die Gedankenwelt der Straßenkinder oder der Masoops aussah.
    Nachdenklich berührte ich meine schuppige Wange. Wahrscheinlich würde ich schon sehr bald herausfinden, wie die Gesellschaft mit Andersartigen umsprang.
    Billy Myora löste sich aus der Cabal-Versammlung und kam zu uns herüber. Er hatte den zerrissenen Dreiteiler abgelegt und seinen Körper mit den weißen Farbstreifen seines Stammes bemalt. Ich kannte mich zwar nur unzureichend mit diesen uralten Bräuchen aus, doch ich wusste zumindest so viel, dass diese Bemalung von einem hohen Status kündete. Vielleicht hatte ich am Ende doch jemanden gerettet, der äußerst wichtig war.
    Er betrachte uns mit traurigem Gesichtsausdruck. Als er das Wort ergriff, sprach er in einem sachlichen Tonfall, den ich nie zuvor aus seinem Mund gehört hatte.
    »Wir stehen kurz davor, unser Land zurückzuerobern. Du hattest großen Anteil an unserem Erfolg, Parrish Plessis. Betrachte dies als… Belohnung.« Er überreichte mir eine Platte, die man aus den Samenhülsen der Palmen gefertigt hatte; sie war mit getrockneten Früchten und einer Röhre frischen Wassers gefüllt.
    Doch da war noch etwas anderes: ein kleines biomechanisches Gewebenetz, das mit einem blutigen Klumpen Gehirn verbunden war. Ich ahnte, woher es stammte. Offenbar hatten die Cabal bei ihrem Vorstoß Ikes Leiche entdeckt und die Dateneinheit mit den Forschungsergebnissen aus seinem Kopf entfernt.
    Die Cabal hatten ihr Versprechen gehalten; vor mir lagen die Informationen, nach denen ich so lange gesucht hatte. Trotzdem empfand ich keine Freude.
    »Es ist zu spät«, sagte ich.
    Myora nickte wissend. »Dieses Risiko bestand.«
    Risiko? Ich drehte ihm den Rücken zu und gab ihm so zu verstehen, dass ich nicht weiter mit ihm reden wollte. Ich hatte genug von den Cabal und ihren Geheimnissen.

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