Parrish Plessis 02 - Code Noir
aber Tulu ist entkommen. Ich weiß noch immer nicht, für wen sie arbeitet, doch ihre spirituellen Kräfte sind geschwächt; das sollte sie für eine Weile außer Gefecht setzen.«
»Und die Flüchtlinge?«
Ich atmete tief durch. »Sie werden erst einmal für ein gehöriges Chaos sorgen. Viele von ihnen werden sterben. Aber andere werden ihren Platz im Tert finden. Vielleicht werden die Cabal ihnen sogar helfen.«
Teece wunderte sich über meine Resignation. »Was hat es mit den Raubvögeln auf sich, die du gesehen hast? Und was hat diese Sache mit Ikes Augenlidern zu bedeuten?«
»Ich glaube, das bedeutet, dass wir hier im Tert nicht mehr länger in Freiheit leben, Teece. Alles ist zu einem gigantischen, menschlichen Tollhaus verkommen«, antwortete ich langsam.
»Das überrascht mich nicht. Es gab schon seit Langem Anzeichen dafür, dass die Medien nicht mit offenen Karten spielen.«
»Danke, dass du diese Einsicht nicht schon früher mit mir geteilt hast.« Ich zog Teece die Ohren lang, um meinen Worten die Ernsthaftigkeit zu nehmen.
»Nun ja, ich wollte dich nicht unnötig beunruhigen«, sagte er mit einem Lächeln. »Außerdem hätte das wahrscheinlich keinen Unterschied gemacht, Parrish. Es gibt immer ein paar sehr mächtige Menschen, die alles kontrollieren, und es gibt immer kleine Leute wie uns. So ist nun mal das Leben. Man muss nur überleben und das Beste aus der Situation machen. Es ist egal, wer an der Macht ist; sie sind doch alle gleich…«
Solche Gleichgültigkeit machte mich wütend.
»Doch es macht einen Unterschied. Einen gewaltigen sogar. Es geht hier um die grundsätzliche Einstellung. Ich verabscheue die Absichten dieser Leute, Teece, und ich werde mir nicht von ihnen das Leben vermiesen lassen!«, sagte ich bestimmt.
Teece lehnte sich zurück und sah mich ernst an.
»Da ist noch etwas anderes, oder? Du hast mir noch nicht alles erzählt.«
Ist das bisher Gesagte denn nicht schon schlimm genug?
Ich hustete und verbarg das Gesicht in seinen Armen. Ich brachte es nicht übers Herz, ihn anzusehen, während ich ihm berichtete, was mir zugestoßen war.
Doch bevor ich etwas sagen konnte, öffnete sich die Tür.
Teece sprang auf. Warum war er so nervös?
»Teece?« Eine weibliche Stimme; hoch und unsicher. Ich kannte sie.
»Liebling«, sagte Teece. »Parrish ist wieder da.«
Liebling? Die Frau trat in das trübe Licht, das durch die offenen Fenster fiel. Sie hatte die künstlichen Brüste und den Bikini gegen ihre natürlichen Brüste, Jeans und ein Hemd eingetauscht – doch die gebildete Stimme und sie guten Mannieren waren noch immer dieselben.
Tingle Honeybee!
Ich starrte die beiden verwirrt an, als sie sich umarmten. Tingle war nur halb so groß wie Teece und wirkte beinahe wie ein Kind in seinen Armen. Sie lehnte den Kopf an seine Brust und sah zu mir herüber. Die Schüchternheit war aus ihrem Blick verschwunden; dafür schien sie eine böse Vorahnung zu plagen.
Ich konnte nichts tun, um ihr diese Sorge zu nehmen. Ich war einfach nur perplex.
Wie lange war ich fort gewesen? Eine Woche?
Doch ich wusste mehr als jeder andere, dass Zeit keine Rolle spielte, wenn man von wahrem Verlangen getrieben wurde.
»Geht«, sagte ich leise. »Beide. Und schließt die Tür hinter euch!«
Ich stand auf und rammte die Beruhigungsspritzen nacheinander wie Speere in meinen Arm. Dann versuchte ich ohne zu stolpern ins Schlafzimmer hinüberzugehen.
»Parrish! Das ist zu viel! Eine Überdos…«, sagte Teece besorgt.
Ich schlug die Schlafzimmertür hinter mir zu.
Alles, wonach ich mich sehnte, war tiefe Bewusstlosigkeit.
KAPITEL EINUNDZWANZIG
Einfacher Schlaf genügte mir nicht mehr.
Ich erwachte achtzehn Stunden später mit einer trockenen Kehle. Draußen vor der Schlafzimmertür tobte ein heftiger Streit.
Ich setzte mich auf die Bettkante. Abgesehen davon, dass mir jeder Knochen einzeln wehtat, fühlte sich mein Kopf erstaunlich klar an.
In der San-Einheit riskierte ich einen Blick in den Spiegel. Das heiße Wasser hatte meine Haut erröten lassen; ansonsten blickte mich mein vertrautes Spiegelbild an. Strubbeliges Haar, schiefe Nase, finsterer Gesichtsausdruck – und kleine, braune Schuppen auf meinem Wangenknochen.
Schuppen! Mein Körper sei voller Schuppen gewesen, hatte Daac meine Verwandlung beschrieben.
Was würde als Nächstes mit mir geschehen? Ich wusste es nicht. Wann würde der Eskaalim vollends Besitz von mir ergreifen? Ehrlich gesagt hatte ich nicht
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