Parrish Plessis 02 - Code Noir
Robokid mit kritischem Blick. Der mechanische Teil seines Körpers war mit einer dichten Schmutzschicht überzogen, doch er schien in einwandfreiem Zustand zu sein. Die Antriebseinheit arbeitete mit alten DC-Motoren, was seinen Gliedmaßen eine ungemeine Beweglichkeit verlieh; selbst in völlig austrainierter Verfassung wäre ich nicht einmal halb so agil wie dieser Junge.
Die Robokids waren in den Proportionen von mechanischer und menschlicher Körperhälfte unterschiedlich: Einige von ihnen besaßen robotische Beine und einen menschlichen Torso. Bei anderen wiederum bestand fast der gesamte Körper aus mechanischen Teilen; nur die Überreste eines biologischen Gehirns und rudimentäre Organe zeugten von ihrer menschlichen Abstammung. Ich konnte mir nicht einmal annähernd vorstellen, wie solche Organismen überlebten, wovon sie sich ernährten und ob sie vielleicht Sex miteinander hatten. Das Robokid, das vor mir stand, hatte einen überwiegend menschlichen Körper; lediglich seine Arme und Beine waren aus Titanium. Auf seinem Kopf war ein beschädigter Akkustrahler montiert.
Das Gesicht des Jungen passte allerdings nicht zu seiner Erscheinung und würde vielleicht ein Problem sein: Er machte einen unschuldigen Eindruck.
»Wie heißt du,… Junge?« Ich zögerte. Ich wusste nicht so recht, wie ich das Robokid ansprechen sollte; normalerweise unterhielt ich mich nur selten mit seinesgleichen – sie waren mir nicht ganz geheuer.
»Roo – genau wie das Tier.«
»Magst du Waffen?«
Er setzte ein verstohlenes Lächeln auf. »Die Waffen mögen mich.«
Argwöhnisch betrachtete ich die Fingerspitzen seiner mechanischen Hände und fragte mich, ob sie wohl irgendwelche Sprengstoffe oder Klingen enthielten. Eine faserdünne Leitung verband seine Zieleinrichtung mit dem Strahler auf seinem Kopf, und auf seinen Beinen zeichneten sich deutlich die aufklappbaren Waffenhalterungen ab. Gegen diesen Jungen war mein Waffenarsenal die reinste Spielzeugsammlung.
Doch konnte Roo mit den Waffen umgehen, und wie intelligent war er?
»Wovon bezahlst du deine Ausrüstung?«, wollte ich von ihm wissen.
»Wie ich gesagt habe: Die Waffen mögen mich. Die meisten von ihnen habe ich selbst konstruiert; für solche Dinge habe ich irgendwie Talent. Vor dem Krieg habe ich in Ginnopolis’ Werkstatt gearbeitet. Ich war zuständig für Upgrades und Wartungsarbeiten.«
Ginnopolis? Das war Raul Minojs größter Konkurrent im ’Waffengeschäft. Ich sah Roo mit großen Augen an. Er könnte mir in der Tat noch von Nutzen sein.
Roo fuhr fort: »Und nur, damit du es gleich weißt: Ich bin nicht so ein Junge für ältere Frauen. Wenn ich für dich arbeite, dann ist das rein geschäftlich.«
Mir klappte die Kinnlade herunter. »Dann sieh zu, dass du mir nicht im Weg stehst«, war das einzige, was ich herausbrachte, als ich an ihm vorbei ging und die Baracken betrat.
Das gesamte Gebäude roch wie eine riesige Hundehütte. Ich schluckte die aufkommende Übelkeit herunter und nahm jeden Raum in Augenschein. Ibis blieb dicht hinter mir, eine Hand vor Mund und Nase gepresst. Roo folgte uns in einiger Entfernung, während Teece draußen wartete und die Schaulustigen im Auge behielt.
»D… Daraus könnte man durchaus was machen.« Ibis’ Zähne klapperten, während er die völlig verdreckten und schmierigen Räume betrachtete. Zu Jamons Zeiten hatten in einem dieser Räume über hundert Dingomutanten geschlafen. Neben diesen Schlafsälen mit einfachen Pritschen existierte auch eine Kampfarena. Dort hatte man Hahnenkämpfe ausgetragen, Streitigkeiten beigelegt, oder die Mutanten hatten sich eine Sexshow angesehen.
Plötzlich schoss mir wieder eine Erinnerung in den Sinn, die wie Blut aus einer frischen Wunde sprudelte. Hier in diesen Räumen hatte Jamon mich in seine Familie aufgenommen. Es war ein dunkler und erniedrigender Akt gewesen. Jamon hatte mir sein Brandzeichen aufgedrückt.
»Ich möchte, dass dieser Raum gesäubert und sterilisiert wird wie ein Operationssaal. Und dann soll hier ein Freizeitraum entstehen. Die Kinder sollen sich amüsieren. Aber keine Sensil-Kabinen, verstanden?«
Ich führte eine private Vendetta gegen die Sensil-Technik. Meine Mutter, Irene, war abhängig von diesen künstlich erzeugten Illusionen. Sie hatten sie in eine apathische, willenlose Hülle verwandelt, was mein Stiefvater Kevin nach allen Regeln der Kunst ausgenutzt hatte. Während sich Irene in Neuroendokrinen Simulationen labte, brauchte er ihre
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