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Parrish Plessis 02 - Code Noir

Parrish Plessis 02 - Code Noir

Titel: Parrish Plessis 02 - Code Noir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne de Pierres
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ich wirklich kurz davor gestanden, Pas zu töten. Ohne mir meiner Tat bewusst zu sein, hatte ich ihm vor den Augen seiner Frau beinahe die Gurgel durchgeschnitten.
    Nachdenklich betrachtete ich meine Hand. »Geht nach Hause«, sagte ich sanft zu Minna. »Und du, Roo, geh zurück zu Teece.«
    Dann wandte ich mich an Pas. Mit entschuldigendem Unterton sagte ich: »Brennt dieses Haus nieder, bevor ich wieder hierher komme. Verstanden?«
    Er nickte nur knapp – eine kleine, ängstliche Bewegung, mehr traute er sich nicht.
    Dann verschwand ich von mir selbst angewidert in der Dunkelheit.
     
    Das Laufen hatte mich schon immer befreit. Früher, als ich noch in der Vorstadt gelebt hatte, war ich immer vor meinem Stiefvater davongerannt, bevor er hatte handgreiflich werden können. Auch vor Jamon war ich einige Male geflüchtet. Das Laufen vertrieb die Angst und kühlte meine Wut. Ich fühlte mich sicher, wenn ich rannte, und alle Zweifel verschwanden aus meinen Gedanken.
    Doch für gewöhnlich hielt dieser Zustand nicht lange an.
    Schon bald brannte mein Atem wie Schmirgelpapier in meiner Lunge. Ich stolperte und landete im Dreck, doch ich zwang mich jedes Mal wieder aufzustehen und trieb meinen Körper über die Grenzen seiner Kräfte hinaus. Meine Muskeln zitterten und meine Brust verkrampfte sich vor Schmerz.
    Ich verlangsamte mein Tempo nur so lange, bis die schlimmsten Schmerzen vorüber waren und rannte dann wieder los. Den dunklen Gestalten, die aus den Schatten der Häuser heraus meine Flucht verfolgten, schenkte ich keinerlei Beachtung; doch ich wusste, dass sich die Nachricht über meine Taten wie eine Flutwelle vor mir ausbreitete.
    Im matten Grau der heraufziehenden Morgendämmerung brach ich einsam und erschöpft unter einer rostigen Stahltreppe zusammen. Ich teilte mir die Abgeschiedenheit mit einer verletzten Kanratte, die neben einem Abfallhaufen gebrauchter Haut lag.
    Kanratten lebten fast ausschließlich auf den Dachböden, doch bei dieser hier handelte es sich offenbar um ein besonderes Exemplar. An einem Bein war ihr ein zusätzlicher Fuß gewachsen, der wie eine verformte Kralle aussah, und der Geifer lief ihr in weißen Fäden aus dem Maul, eine faul riechende Säure, gegen die Hundeatem wie Eau de Cologne roch. Das Tier hatte sich an einigen Stellen das Fell abgeschabt und die rosige Haut, die nun zum Vorschein kam, bildete ein Schachbrettmuster auf seinem Rücken.
    »Das könnte an der ungesunden Ernährung liegen«, erklärte ich der Kanratte. Inzwischen zitterte ich am ganzen Körper vor Erschöpfung. Der Schock saß noch immer tief in mir.
    Die Kanratte hustete und stieß ein leises Grollen aus – nichts, wovor man sich ernsthaft hätte fürchten müssen.
    Wir teilten uns friedfertig den Unterstand, bis mich der Geruch nach frischen Teigwaren aus einem kleinen Laden ins Freie lockte.
    Der Verkäufer nahm meine Kredits entgegen und betrachtete sie misstrauisch.
    »Gib mir jetzt das Essen. Die Kredits sind okay«, sagte ich ungeduldig.
    Ich zog mich mit dem Essen wieder unter die Treppe zurück. Nachdem ich einige Bissen genommen hatte, bemerkte ich, wie der Kanratte neben mir buchstäblich das Wasser im Munde zusammenlief; aus ihrem Maul rann ein kleiner Wasserfall. Ich warf ihr ein paar Krumen vor die Nase. Eigentlich mochte ich Kanratten nicht besonders – Wombat konnte bezeugen, dass ich die Große getötet hatte –, doch ich hatte schon immer ein Herz für wehrlose Kreaturen.
    Die Kanratte stürzte sich auf das Essen und legte sich anschließend wieder müde auf den Bauch. Kurz leckte sie sich die Vorderläufe und bettete dann mit einem Seufzer den Kopf darauf.
    »Du bist ziemlich fertig, was?«, fragte ich laut.
    Die Kanratte spitzte müde ein Ohr.
    Ich legte mich ebenfalls hin und beobachtete, wie die Kanratte langsam einschlief. Während mein Magen allmählich den teigigen Klumpen verarbeitete, dachte ich über meine nächsten Schritte nach. Ich befand mich in der Nähe der Grenze zu Tower Town, Daacs Revier. Wenn Leesa Tulu sich einen Zeitvertreib daraus machte, Voodoo-Puppen von Loyl und mir anzufertigen, dann wussten er und Mei vielleicht auch von dieser Sache. Außerdem würde ich mich davon überzeugen können, dass es Stolowski gut ging, wenn ich Daac besuchte.
    Stolowski. Auf sonderbare Weise hatte ich eine Art Mutterinstinkt für ihn entwickelt.
    Trotzdem erschrak ich, als ich mich bei dem Gedanken ertappte, mit Daac reden zu wollen. Damit würde ich meine eigenen Prinzipien

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