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Parrish Plessis 02 - Code Noir

Parrish Plessis 02 - Code Noir

Titel: Parrish Plessis 02 - Code Noir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne de Pierres
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verraten. Ein ähnliches Gefühl hatte ich gehabt, als ich beinahe Pas getötet hatte.
    Doch in meinem Inneren gab es tatsächlich einen verräterischen Teil, der sich darauf freute, Daac wiederzusehen.
    Es gab nicht viele Leute, denen ich vertrauen konnte und nun nicht einmal mehr mir selbst. Für den Bruchteil einer Sekunde erkannte ich, wie es sein musste, seinen Verstand zu verlieren. Ich packte das Gefühl und verschloss es in Gedanken rasch an einem Ort, von wo es hoffentlich nie wieder auftauchen würde.
    Ich warf mir den Rucksack über die Schulter. Die Kanratte erwachte und stieß ein leises Jammern aus, als sie sah, dass sich ihre potenzielle Mahlzeit zum Aufbruch bereit machte.
    Ohne meine Zurechnungsfähigkeit weiter in Frage zu stellen – ich hatte sie schon vor langer, langer Zeit verloren –, packte ich die Kreatur auf meine Schultern und nahm sie mit auf meinen Weg.
     
    Von dem Moment an, da ich das bunte Mueno-Gebiet verließ, war ich nicht mehr unbeobachtet; Daacs Männer verfolgten fortan jeden meiner Schritte. Daac herrschte über ein Gebiet des Tert, in dem die Villenblöcke nicht mehr in konzentrischen Halbkreisen verliefen, sondern wie turmhohe Betonbunker in einer Reihe standen – man nannte diesen Bezirk nicht umsonst Tower Town. Im Inneren der Gebäude hatte man die meisten Wände einfach eingerissen, um Platz für große Gemeinschafts- oder Geschäftsräume zu schaffen. Ich wusste, dass in einem dieser Gebäude sogar ein außergewöhnlich gut ausgestattetes medizinisches Labor untergebracht war.
    Stolowski Ree und Mei Sheong bewohnten ein kleines Apartment in einem dieser Beton-Türme. Für beide war es ein Ort der Zuflucht, wo sie wie eine hochnäsige Katze auf der Fensterbank saß, in aller Ruhe an ihrem Weihrauch schnüffeln konnte und psychedelischen Tee trank, während Sto sie untertänig dabei beobachtete.
    Einige Frauen wussten einfach nicht die Vorteile eines Mannes zu schätzen, der ihnen jeden Wunsch von den Lippen ablas.
    Sto hätte jederzeit und ohne zu zögern sein Leben für Mei gegeben; doch Mei kümmerte sich schon seit jeher ausschließlich um… na ja, um Mei. Und dann war da natürlich noch Loyl Daac…
    Ich hatte kaum einen Schritt auf sein Gebiet getan, als mich seine Leibgarde bereits abfing. Ohne Gegenwehr ließ ich mich von ihnen durch die miteinander verbundenen Gebäude führen. Als wir eine lange Treppe erreichten, dämmerte mir allmählich, wohin sie mich brachten.
    Daac erwartete mich auf dem Dach eines Gebäudes inmitten unzähliger Schlafkokons und Mikro-Schüsseln. Die Aussicht auf die Stadt von hier oben war etwas, das ich nicht alle Tage zu sehen bekam. Mit einem einzigen Blick konnte man die ganze Hässlichkeit, aber auch die versteckte Schönheit des Tert erfassen. Es war bereits Mittag, und der Himmel, der am Morgen noch wolkenlos gewesen war, hatte sein Versprechen auf einen herrlichen Tag nicht ganz gehalten; graue Wolken zogen am Horizont auf. In weiter Ferne schimmerte im Westen die graue See, und im Osten schlängelte sich der giftig braune Filder River wie eine dünne Vene durch den Tert.
    Daac kam gerne hier herauf, wobei ich mir nicht sicher war, ob er das aus freien Stücken tat, oder ob ihn nicht eher die Erinnerung an seine Zeit als Zwangsarbeiter in einer Mine der Dead Hearts auf die Dächer trieb. Manche hätten eine solche Angewohnheit als Zeichen für Klaustrophobie gewertet, doch Daac erinnerte die Freiheit hier oben immer wieder daran, warum er sich auf die Ein-Mann-Mission begeben hatte, den Tert wieder seinen rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben.
    Daac glaubte, dass dieses Gebiet seinen ›genetischen Vorfahren‹ gehörte, wie er sie nannte.
    Der Tert war seine Heimat.
    Daac besaß ein Abstammungsregister, eine genealogische Tabelle, die, wenn man ihre Daten ausgedruckt und aneinandergereiht hätte, länger gewesen wäre als der Filder. Diese Auflistung enthielt alle seine genetischen Verwandten, und sie sollten eines Tages triumphieren – zumindest war das Daacs Plan. Denn im Moment befand sich dieses Register in meinem Besitz, und Daac würde alles tun, um es zurückzubekommen. Für mich war es daher zwar eine Art Lebensversicherung, aber auch eine recht heikle Verhandlungsgrundlage.
    Ich blinzelte in die Sonne und sah Daac, wie er mit einem Fuß auf dem Dachfirst stand, als würde er im nächsten Moment in die Luft hinausgehen – und vielleicht war er tatsächlich so größenwahnsinnig, dass er glaubte, so etwas

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