Parrish Plessis 02 - Code Noir
Tert-Regionen trieben sich allerhand merkwürdige Gestalten herum, und ich hatte im Leben schon einiges gesehen, doch die Menschen in Mo-Vay fristeten ein wahrlich abartiges Dasein: Die schrecklichen Krankheiten, an denen diese Leute litten, hatten sie geistig und körperlich völlig pervertiert. Verkrustete Hämatome und eitrige Narben zerfraßen ihre Haut wie ätzendes Gift, ein Gift, das auch ihren Verstand befallen hatte. Nein, mit diesen Menschen wollte man weder physisch noch anderweitig in Kontakt treten.
Was hat dazu geführt, dass sie so geworden sind? Und woher kommen sie? Haben sie schon immer hier gelebt?
Aus Neugierde begann ich, den Leuten Fragen zu stellen; vielleicht würde ich dabei auch etwas über den Verbleib meiner Freunde erfahren. Losers Haarbüschel erwiesen sich abermals als perfektes Tauschmittel. Egal, mit wem ich mich unterhielt, sie erkannten sofort, dass ich nicht aus Mo-Vay stammte: Es gab hier nur wenige Leute von meiner Statur; meine Haut war viel heller, als die der Eingeborenen, und ich sprach einen anderen Dialekt.
Jeder führte ein Vergrößerungsglas oder einen tragbaren DNA-Scanner mit sich, um jederzeit Köperproben untersuchen zu können.
Ich trat an ein Zwillingspaar heran, das an einem Arm zusammengewachsen war. Die beiden kampierten nahe dem verfallenen Hochgleis der alten Monorailbahn unter einem Stück Dachpappe. Aus der Nähe stellte ich schließlich fest, dass ihre Behinderung weniger erschreckend war als die grünliche Färbung ihrer Haut und die rotunterlaufenen, entzündeten Augen, mit denen sie mich interessiert anblickten.
»Ich suche jemanden«, sagte ich und hielt ihnen ein Büschel Kanratten-Fell hin. Dann gab ich ihnen eine kurze Beschreibung von Mei und Tulu.
Sie antworteten mir nicht.
»Was ist mit einem Leichtflugzeug? Habt ihr ein Flugzeug gesehen?« Ich deutete zum Himmel hinauf und beschrieb mit der flachen Hand eine Flugbahn. Dabei machte ich wohl eine komische Figur. Die Zwillinge lachten schelmisch – zumindest hielt ich das Geräusch, das sie abgaben, für ein Lachen. Wenn sie miteinander redeten, hörte es sich an wie eine Mischung aus Dialekt und angeborenem Sprachfehler.
Rasch entdeckte ich den Grund für ihre Heiterkeit.
Zu dieser Tageszeit wimmelte es am Himmel über Mo-Vay nur so von Flugobjekten: Dutzende Frachthubschrauber und Ultraleichtflugzeuge flogen in niedriger Höhe aus Osten herüber und landeten hinter den Wipfeln der hohen Palmen im Süden.
Ich wandte mich von den Zwillingen ab und hielt ein Epox-Mädchen an, das Clancy sehr ähnlich sah. Ihr Körper war mit einem Rollerboard verbunden, das auf schweren Geländereifen stand. Wieder benutzte ich Losers Haare als Lockmittel.
»Wo kommen all die Hubschrauber her? Was transportieren sie?«
Sie sah mich erstaunt an. »Bis’su-denn-nich-mit-ihnen-hergekommen? Du-bist-doch-auch-wiedergeboren?«
Wiedergeboren?
Auf welches dunkle Geheimnis war ich nun schon wieder gestoßen? Ich traute mich nicht weiterzufragen und wechselte das Thema. Ich erkundigte mich nach der kleinen Söldnerarmee mit dem Quad – bisher hatte ich nicht viel über diese Soldaten in Erfahrung gebracht, außer, dass sie wahrscheinlich aus dem Süden kamen – viel mehr erfuhr ich von dem Mädchen allerdings auch nicht.
Am späten Nachmittag erreichte ich ein Gebiet, wo sich die Villenblöcke und Straßenzüge veränderten. Ich wanderte durch ein dichtes, undurchdringliches Straßengewirr. Die Wege bestanden teilweise nur aus aneinander gelegten Holzdielen oder losen Pflastersteinen, und die meisten von ihnen endeten in einer Sackgasse. Das Ganze war ein riesiges Labyrinth, aus dem es keinen Ausweg gab.
Mein Kompassimplantat verriet mir, dass ich mich bereits seit einer ganzen Weile im Kreis bewegte. Hunger und Durst vernebelten meine Gedanken, und ich verlor die Orientierung wie eine Kompassnadel, die von einem Magneten abgelenkt wird. Egal, welchen Weg ich auch einschlug, es war einfach unmöglich, weiter nach Süden oder Osten zu gelangen. Nur meine Sturheit und die ständige Furcht hielten mich auf den Beinen.
Die engen Gassen und grauen Wände der Villen engten mich ein. In den Schatten drückten sich dunkle Gestalten herum, die mich zu beobachten schienen. Ich wagte nicht, jemanden anzusprechen.
Die Luft roch nach Weihrauch, Fäulnis und ätzenden Ausscheidungen – eine erstickende Mischung. Ich atmete in kurzen, schweren Zügen, als leide ich an Sauerstoffmangel.
Verfolgte mich jemand? Warum
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