Parrish Plessis 02 - Code Noir
der Luft. Ich stellte meine Geruchsverstärker auf die höchste Stufe, und sofort erkannte ich den Gestank von AV-Gas, Chemikalien und elektrischer Energie. Das AV-Gas konnte von dem regen Flugverkehr über Mo-Vay herrühren; vielleicht war dies der Ort, an dem die Helikopter und Flugzeuge gelandet waren…
Ich konnte den Gedanken nicht zu Ende führen. Aus der Bar ertönten plötzlich laute Jubelschreie und freudiges Gelächter. Was auch immer dort gerade geschah, ließ meinen Magen verkrampfen und machte es mir unmöglich zu denken.
Plötzlich konnte ich mich nicht mehr daran erinnern, warum ich hier war. Irgendetwas sagte mir, dass ich die dunklen Gebäude in der Mitte des Platzes unter die Lupe nehmen sollte, doch ich wusste nicht mehr aus welchem Grund. Mein Verstand ließ mich so kurz vor dem Ziel einfach im Stich.
Verängstigt und panisch kletterte ich die Kellertreppe wieder hinunter und schloss die Luke hinter mir. Ich taumelte benommen zurück zur Privatkabine in der Bar und hielt nur einmal kurz an, um die milchige Kruste einer korrodierten Substanz von meinen Stiefeln zu schaben.
Rasch verriegelte ich die Kabinentüre hinter mir und trank, von der Welt abgeschottet, den restlichen Whisky. Der Alkohol benebelte meinen Geist und entspannte meine Muskeln.
Der Eskaalim nutzte diesen kurzen Augenblick des Kontrollverlustes, um sich wie ein Geier auf die letzten Überbleibsel meines Stolzes zu stürzen.
Spüre meine Kraft, Mensch. Du sollst wissen, dass ich bereit bin. Bereit, dich zu vernichten…
Nein!
Mit einem lauten Schrei kam ich wieder auf die Beine und stürmte aus der Kabine heraus. Ich rannte durch die Bar in Richtung Ausgang, als könnte ich vor dem Eskaalim davonlaufen – vorbei am bewusstlosen Wirt, der mit dem Kopf in einem Spucknapf lag, und den restlichen Gästen, die sich zwischen den anderen Alkoholleichen noch aufrecht halten konnten.
Durch die schmutzigen Fenster der Bar fiel das erste trübe Licht des frühen Morgens. Ich irrte durch eine Halbwelt, jeglicher Realität entrückt.
Als ich durch die Türe stürmte, schlug mir mit Wucht der leblose Körper des Python ins Gesicht. Jemand hatte ihn wie eine Trophäe an den Türrahmen genagelt. Ich sank auf die Knie und übergab mich in einer Mischung aus Schuldgefühlen und Whiskyrausch.
Ich irrte durch die Straßen – verwirrt, berauscht, besessen. Konnte man meine Gefühlslage überhaupt mit einem einzigen Wort beschreiben? Ich verspürte weder Appetit noch Hunger, obwohl ich seit einigen Tagen nichts mehr gegessen hatte. Mein Mund war trocken und meine Sinneswahrnehmungen schienen sich verändert zu haben.
Ein immer wiederkehrendes Wimmern und ein leichtes Trommeln drangen von den Dächern zu mir herunter und hallten von den verwitterten Villenwänden wider. Ich fand schnell heraus, woher das Geräusch kam und folgte ihm. Und erneut überfiel mich dieses grenzenlose Gefühl der Leere…
Am Ende einer engen Gasse fand ich schließlich eine junge Frau, die laute Klagelaute ausstieß. Sie kauerte auf der Erde wie ein Tier und heulte erbärmlich. Ihr Gesicht war nach Art der Schamanen mit weißer und roter Farbe bemalt. Als ich mich ihr näherte, hob sie abwehrend die Hand. Die Frau trug ihre dicken schwarzen Haare hinter dem Kopf zu einem Knoten zusammengebunden, der von einigen Knochen und ein paar farbigen Perlen gehalten wurde.
Sie strahlte die Urkraft eines gewaltigen Sturms aus.
»Du hast deine Vertrauten im Stich gelassen«, sagte sie. »Einer ist verschwunden, der andere zu den Geistern zurückgekehrt.«
»Vertraute? Von wem sprichst du?«, fragte ich verständnislos. Mit der gewohnten Kraft hätte meine Stimme wahrscheinlich hysterisch geklungen, so aber kamen die Worte nur hohl und trocken über meine Lippen.
»Ich spreche von deiner Reise durch den äußeren Ring nach Mo-Vay hinein. Glaubst du etwa, sie wäre normalerweise so leicht gewesen? Unsere Führer haben dich beschützt. Und nun sind sie verschwunden und tot – du und dein Egoismus haben sie im Stich gelassen. Sie hätten dir den Weg zur Genesung zeigen können, nach der es dich verlangt.«
»Welche Führer?«
Die Frau machte eine schlängelnde Handbewegung.
Der Python?
Dann imitierte sie das Fauchen eines wilden Tiers.
Loser?
Ich versuchte, mich an die Bräuche der Schamanen zu erinnern. Sie verwendeten oft halluzinogene Drogen, die sie aus destillierten Pilzen, Kakteen oder Reben gewannen – sie bevorzugten Champignons, den Peyote-Kaktus oder die
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