Partials 1 – Aufbruch
als bei unserer letzten Überfahrt. Hier ist der Sund zweimal
oder dreimal so breit.«
Er wollte mit den Kanistern zum Haus, um die Autos anzuzapfen, doch
Kira hielt ihn auf. »Was heißt hier, ihr braucht das
Benzin?«, fragte sie. »Kommst du nicht mit?«
Samm schüttelte den Kopf und blickte zum Wasser, dann zum Haus.
Wohin auch immer, nur nicht zu Kira. »Deine Leute würden mich umbringen.«
»Die Partials bringen dich auch um«, sagte Kira. »Du bist ein
Verräter. Bei uns hast du wenigstens … Freunde. Ich weiß auch nicht … Wir
könnten einander helfen.«
»Du bist eine gesuchte Terroristin«, entgegnete er. »Wir würden
einander nicht viel nutzen.« Damit ging er zum Haus.
Sie sah ihm nach und wandte sich schließlich wieder an die anderen.
»Ich helfe ihm mit dem Benzin.« Schweigend starrte Marcus auf die Mole.
Samm und Kira überwanden die kurze Steigung zum Haus hinauf, bei dem
es sich anscheinend um ein Strandhotel handelte. Auf dem Parkplatz standen
zahlreiche Autos, in einem davon hockte ein Skelett. Samm machte sich an die
Arbeit, kroch unter die Fahrzeuge und stach die Tanks mit dem Messer an, um das
zähflüssige, verdorbene Benzin langsam in die Behälter tropfen zu lassen. Kira
wollte mit ihm reden und fragen, wer sie nun eigentlich war. Sie wollte es laut
aussprechen – Ich bin eine Partial! –, aber sie wagte es nicht. So schritt sie hin und her, weil sie nichts zu tun
hatte, druckste herum, setzte an, schwieg und hatte so große Angst zu reden,
dass sie kaum noch denken konnte. Endlich gab sie es auf, die alten
Gewohnheiten gewannen die Oberhand, und sie sah sich zwischen den defekten
Autos nach Fundstücken um, die sie brauchen konnte. Die meisten Fahrzeuge waren
mit Gepäck beladen. Ob die Menschen vor dem Virus hatten fliehen und möglichst
weit fortkommen wollen? Jedenfalls entdeckte sie in den gut verschlossenen Koffern
Kleidung, die sich in weitaus besserem Zustand befand als die Lumpen in den
Häusern. Sie eignete sich saubere Unterwäsche, eine robuste Jeans, die recht
gut saß, und für alle Fälle eine Ladung Hemden und Socken an.
»So«, sagte Samm, der inmitten der Benzinkanister auf dem Boden saß.
Mit der Kleidung auf den Armen hielt Kira inne. »So.«
Sie sah ihm in die Augen. Sie hatte sich ihm so nahe gefühlt, und
jetzt … war das der Link? Vielleicht war sie auf eine abgeschwächte Weise auch
dazu fähig und entwickelte entsprechende Gefühle. Sie schüttelte den Kopf, um
sich von den widerstreitenden Emotionen zu befreien. War ihre Verbundenheit nur
eine biologische Funktion der Partials gewesen, oder hatte sie etwas anderes
gespürt?
Wenn es nur der Link war, war es dann weniger real? Wenn sie
jemanden so tief verstehen konnte, spielte es dann eine Rolle, worauf es
beruhte?
»Wusstest du es wirklich nicht?« Im schwindenden Licht betrachtete
er sie mit zusammengekniffenen Augen. »Dachtest du wirklich, du seist …« Er
ließ den Satz unvollendet, und Kira war ihm dankbar, dass er nicht
weitersprach.
»Ich hatte keine Ahnung. Ich bin immer noch nicht überzeugt.«
»Du bist ganz sicher nicht so wie ich.« Samm nickte in die Richtung
ihrer Freunde. »Aber du bist auch nicht so wie sie. Ich weiß nicht, wer du
bist.«
Kira öffnete den Mund, obwohl ihr keine Antwort einfiel. »Ich bin
Kira Walker«, sagte sie schließlich. »Was muss ich sonst noch wissen?«
Schweigend sammelte Samm die Benzinkanister ein.
»Du kannst mitkommen«, schlug sie vor. »Wir verstecken dich irgendwo
auf einer Farm oder in einer kleinen Gemeinde. Dort bist du sicher.«
Samm sah sie an. Die braunen Augen waren tief wie Brunnen. »Würdest
du das an meiner Stelle wollen? Dich verstecken und in Sicherheit abwarten?«
Kira seufzte. »Ich weiß nicht, wer ich bin, und erst recht nicht,
was ich will. In Sicherheit leben. Herausfinden, was es mit allem auf sich
hat.« Auf einmal verspürte sie eine neue Entschlossenheit. »Ja, ich will herausfinden,
wer dies aus welchem Grund getan hat.«
»ParaGen«, entgegnete Samm. »Sie haben uns und dich erschaffen, und
wenn deine Theorie über das Pheromon zutrifft, haben sie auch RM geschaffen.«
Kira schnitt eine Grimasse. »Du hast ja immer beteuert, dass ihr es
nicht gewesen seid.«
Samm verzog die Mundwinkel zu einem winzigen Lächeln. »Seit wann
glaubst du mir?«
Kira starrte zu Boden und schob mit der Schuhspitze ein Steinchen
hin und her. »Ich habe gesagt, was ich will.« Sie hob den Kopf. »Was willst
du?«
»Was ich
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