Partials 1 – Aufbruch
faltig
und fühlte sich an wie Papier, doch der Griff war kräftig.
»Bitte.« Er deutete auf den Besucherstuhl. »Nehmen Sie doch Platz.
Sie sind Walker, richtig?«
Kira nickte und setzte sich mit geradem Rücken auf die Stuhlkante.
»Ja, Herr Doktor.«
»Ihre Examensarbeit hat mich beeindruckt.«
Kira riss überrascht die Augen auf. »Haben Sie sie wirklich
gelesen?«
Skousen nickte. »Nur wenige Praktikanten veröffentlichen
Forschungsarbeiten. Das hat mich auf Sie aufmerksam gemacht.« Er lächelte. »Und
stellen Sie sich meine Überraschung vor, als ich Ihre Arbeit nicht nur gut
recherchiert, sondern auch originell fand. Die Schlussfolgerungen über die
Struktur von RM waren fehlerhaft, aber innovativ.
Sie könnten eine vielversprechende Karriere in der Forschung vor sich haben.«
»Danke.« Kira wurde warm ums Herz. Vielleicht klappt eswirklich, dachte sie. »Genau deshalb wende ich mich auch
an Sie. Es geht um weitere Forschungen.«
Skousen lehnte sich zurück und musterte sie. Begeistert war er
nicht, aber er hörte zu. Kira fasste sich ein Herz.
»Bedenken Sie: Das Zukunftsgesetz zementiert alles, was wir seit elf
Jahren tun. Wir wollen so viele Geburten wie möglich haben, aber in elf Jahren
gab es keinen einzigen Erfolg. Wir werfen Lehm gegen die Wand und wollen sehen,
was haften bleibt, und nach elf Jahren sollten wir endlich einsehen, dass Lehm
nicht die richtige Antwort ist. Wir müssen uns auf etwas anderes
konzentrieren.«
Skousen starrte sie mit versteinertem Gesicht an. »Was schlagen Sie
vor?«
»Ich möchte von der Entbindungsstation in die Forschungsabteilung versetzt
werden.«
»Genehmigt«, sagte er. »Das wollte ich sowieso vorschlagen. Was
sonst noch?«
Kira holte tief Luft. »Wir sollten überlegen, ob es nicht sinnvoll
ist, in einem neuen Projekt die Physiologie der Partials zu untersuchen.«
»Was meinen Sie damit?«
»Da ich es nicht anders ausdrücken kann, schlage ich Folgendes vor:
Wir stellen ein Team zusammen, das aufs Festland übersetzt und einen Partial
beschafft, den wir dann untersuchen.«
Dr. Skousen schwieg. Kira wartete ab und beobachtete ihn, sie wagte
kaum zu atmen. Das elektrische Licht summte leise.
»Ich dachte, Sie haben einen ernst zu nehmenden Vorschlag.« Skousen
sprach leise und mit großer Härte.
»Mir war noch nie im Leben so ernst wie gerade eben.«
»Ihr Leben dauert noch nicht sehr lange.«
»Wie Sie selbst oft sagen, geht es hier um unsere Ausrottung«,
erklärte Kira. »Unser einziger Plan besteht momentan darin, Gasmasken zu
tragen, die Mütter zu isolieren und genau zu notieren, wie die Babys sterben.
Ja, wider alle Wahrscheinlichkeit konnten wir diesen Aufzeichnungen einige
nützliche Informationen entnehmen, aber ich bin nicht bereit, die Zukunft
meiner Spezies von statistisch sehr unwahrscheinlichen Faktoren abhängig zu
machen. Die Partials sind immun. Sie haben ein Virus entwickelt, das sich
perfekt zur Tötung von Menschen eignet, sind aber selbst immun dagegen.«
»Das liegt daran, dass sie keine Menschen sind«, erinnerte Skousen
sie.
»Aber sie haben menschliche DNA «,
widersprach Kira. »Oder wenigstens teilweise. Das Virus sollte sie eigentlich
ebenso infizieren wie uns. Das geschieht jedoch nicht. Ihre Immunität ist
künstlich erzeugt, was wiederum heißt, dass wir den Mechanismus entschlüsseln
und für unsere Zwecke nutzen sollten.«
Skousen schüttelte den Kopf. »Sie sind verrückt.«
»Wir versuchen, das Rätsel der Immunität gegenüber RM zu lösen, indem wir Kinder betrachten, die nicht immun
sind. Dort ist die Antwort aber nicht zu finden, ganz egal, wie viele Subjekte
wir testen. Wenn wir etwas über Immunität lernen wollen, müssen wir die
Partials betrachten. Wir haben keinerlei Daten, die uns sagen, wie sie gebaut
wurden oder wie ihr genetischer Code programmiert wurde. Rein gar nichts. Dort
müssen aber die Antworten liegen. Es ist zumindest einen Versuch wert.«
»Die Partials stellen sich vermutlich nicht freiwillig für unsere
Forschungen zur Verfügung.«
»Dann schnappen wir uns einen«, schlug Kira vor.
»Wenn wir die Grenze überschreiten, könnte leicht ein neuer
Partialkrieg ausbrechen.«
»Wenn das passiert, sterben wir morgen«, gab Kira aufgebracht
zurück. »Wenn wir RM nicht heilen, sterben wir in
den nächsten fünfzig Jahren jeden Tag ein kleines bisschen. Oder schon eher,
falls die Stimme einen Bürgerkrieg anzettelt. Wenn
wir nicht bald eine Antwort auf RM finden, wird
genau das
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