Partials 1 – Aufbruch
»Ihr erkennt alle nicht, dass es dem Senat
gleichgültig ist«, sagte er gerade. »Ihr könnt behaupten, sie würden euch die
Kindheit rauben, ihr könnt sagen, die Forschung sei nutzlos – das alles
interessiert diese Leute nicht.« Die Gerüchteküche kochte über, und es hieß,
der Senat wolle das Schwangerschaftsalter schon wieder absenken. Haru hatte
Isoldes Weigerung, dazu Stellung zu nehmen, als stillschweigendes Eingeständnis
bewertet. »Sie haben beschlossen, RM mit der Macht
der Statistik zu bändigen, und das bedeutet, dass sie das Schwangerschaftsalter
so weit senken, wie es sich gerade noch durchsetzen lässt. Wenn sie von achtzehn
auf sechzehn Jahre heruntergehen, bekommen sie auf einen Schlag – wie viele
eigentlich? Fünftausend neue Mütter? Alle zehn bis zwölf Monate fünftausend
neue Babys. Wenn sie auf vierzehn heruntergehen, sind es doppelt so viele. Es
spielt keine Rolle, ob es hilft oder nicht, es ist einfach die beste und
schnellste Fortsetzung der bisherigen Strategie. Das ist unausweichlich.«
»Das weißt du doch nicht«, widersprach Isolde, worauf Haru den Kopf
schüttelte.
»Wir wissen es alle«, erwiderte er. »Diese Regierung trifft
ausschließlich auf diese Weise ihre Entscheidungen.«
»Vielleicht brauchen wir eine neue Regierung«, meinte Xochi.
»Fang nicht wieder damit an!«, warf Jayden ein, aber Xochi war kaum
aufzuhalten, wenn sie einmal losgelegt hatte.
»Wann haben wir eigentlich zum letzten Mal jemanden gewählt?«,
fragte sie. »Wann haben wir überhaupt das letzte Mal abgestimmt?
Sechzehnjährige dürfen nicht abstimmen. Jetzt zwingen sie uns, schwanger zu
werden, aber mitreden dürfen wir immer noch nicht. Das ist unfair.«
»Was hat Fairness damit zu tun?«, fragte Haru. »Sieh dir die Welt
doch mal an, Xochi. Sie ist insgesamt ziemlich unfair.«
»Die Welt schon«, räumte Xochi ein, »aber das heißt nicht, dass wir
sie nachahmen müssen. Ich hoffe noch immer, dass wir Menschen einen stärkeren
Gerechtigkeitssinn haben als die willkürlichen Kräfte der Natur.«
Kira beobachtete Xochis Gesicht, während sie sprach, und suchte nach … sie wusste es selbst nicht genau. Xochi war immer temperamentvoll, aber Kira
kannte sie besser als jeder andere. Etwas hatte sich verändert. Hieß dies, dass
Xochi sie ohne Zaudern unterstützen würde, oder bedeutete es das Gegenteil?
»Das Zukunftsgesetz wurde erlassen, bevor einer von uns abstimmen
durfte, aber ich hätte trotzdem mit achtzehn schwanger werden müssen, auch wenn
ich nicht dazu bereit gewesen wäre. So läuft das eben.« Madisons
Schwangerschaft war noch nicht weit fortgeschritten, aber man sah bereits den
Babybauch. Sie tätschelte ihn oft und abwesend. Kira hatte dies auch bei
anderen schwangeren Frauen bemerkt. Es gab da eine Bindung, ein spürbares Band,
obwohl der Fötus in diesem Stadium kaum als Mensch zu erkennen war. Der Gedanke
brach Kira das Herz.
Madison würde ihren Plan sicher unterstützen. Sie bekam ein Kind und
hatte am meisten zu gewinnen und am meisten zu verlieren. Haru wäre aus den
gleichen Gründen sicher auch auf ihrer Seite, aber bei ihm konnte man nie
sicher sein. Sie hatte beobachtet, wie er mehr als einmal gegen seine eigenen
Interessen argumentiert hatte. Seine Ansichten waren stärker als seine
Bedürfnisse. Was Jayden anging, so war er ihr ein Rätsel. Natürlich wollte er
seinen Neffen oder seine Nichte nicht verlieren, aber andererseits war er der
Abwehr gegenüber treu ergeben. Er würde nicht zustimmend reagieren, sollte Kira
ihn zu einem Verrat auffordern.
»Was du da redest, ist Hochverrat.« Jayden starrte Xochi an. Kira
lächelte. Jayden war wirklich sehr berechenbar. »Einen Senator zu ersetzen, ist
eine Sache – er geht in den Ruhestand, und wir wählen einen neuen. So was
passiert. Aber die ganze Regierung zu ersetzen, das ist eine Revolution.
Außerdem ist es Selbstmord. Wisst ihr eigentlich, wie verletzlich diese Stadt
wäre, wenn der Senat die Abwehr nicht organisieren und den Frieden hüten würde?
Wäre er nicht mehr da, würde uns die Stimme zehn
Minuten später in die Luft jagen.«
»Wenn der Senat weg ist, hat die Stimme keinen Grund mehr, ihn in die Luft zu jagen«, konterte Xochi. »Darum geht es
doch gerade.«
»Bist du etwa auf einmal eine Stimme ?«,
fuhr Jayden auf.
Xochi beugte sich vor. »Als Alternative zu einer Regierung von
Idioten oder zu einer Militärdiktatur kommt mir eine Regierung von Rebellen gar
nicht mehr so übel vor.«
»Die
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