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Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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nebeneinander. Keiner wollte den anderen in seinen Gedanken stören.
    Kerstin Henschel schien der große Wagen Spaß zu machen. Sie fuhr schnell, abermit Umsicht. Marthaler bewunderte sie dafür, und er war froh, nicht selbst hinterm Steuer sitzen zu müssen. Obwohl er in einer Stadt aufgewachsen war, die ganz durch eine riesigeAutofabrik geprägt wurde, hatte er nie ein Verhältnis zu Motoren und Karosserien entwickelt. Selbst als Kind hatte er, statt mit Modellautos zu spielen, sich lieber eine Zwille geschnitzt und damit auf Blechdosen geschossen. Und bis heute war er der Meinung, dass dasAutofahren nicht die richtigeArt war, sich fortzubewegen. Trotzdem war er ständig dazu gezwungen. Schon deshalb war er bemüht, immer jemanden an seiner Seite zu haben, dem es anders ging als ihm.
    «Warum hast du gezögert, als ich dich gefragt habe, ob du mitkommst?», fragte er.
    Kerstin Henschel brauchte einen Moment, um sich aus ihren Gedanken zu lösen. «Weil ich dachte, dass Kai die Suppe auslöffeln soll, die er uns eingebrockt hat.»
    «Nur, dass Eva Helberger mit ihm bestimmt nicht sprechen will. Genauso wenig wie mit Sven», erwiderte Marthaler.
    «Eben! Deswegen habe ich dann auch ja gesagt.»
    «Was sagst du zu Charlottes Reaktion?»
    «Du meinst, als sie von Kais Patzer erfuhr?»
    «Ja.»
    «Das war nobel. Sie hätte genauso gut einen Elefanten draus machen können.»
    «Ja», sagte Marthaler, «im Zweifel steht sie hinter uns. Und das ist, wenn ich an Herrmann zurückdenke, immerhin eine neue Erfahrung.»
    Kerstin Henschel lachte. Trotzdem hatte Marthaler den Eindruck, dass sie etwas bedrückte.
    «Was ist mit dir, Kerstin?»
    Sie warf einen kurzen Seitenblick auf ihren Kollegen, als wolle sie prüfen, wie seine Frage gemeint war.
    «Ich mache mir Sorgen um Oliver.»
    «Sorgen?»
    «Ja. Ich habe ihn angerufen und gefragt, ob er etwas über die Tatwaffe herausbekommen hat. Er ist mir ausgewichen. Er wollte nicht reden. Er meinte, er müsse das alleine durchziehen. Ohne dass wir etwas davon wissen. Er klang seltsam.»
    Marthaler sah aus dem Fenster. Rechts erhoben sich die beiden Bergfriede von Burg Münzenberg. In Kürze würden sie das Gambacher Kreuz passieren.
    «Das ist seine Rolle», sagte Marthaler. «Wahrscheinlich kann er nicht anders arbeiten. Wir sind das Team; er ist der Libero.»
    «Trotzdem würde ich gerne wissen, was du von ihm hältst.»
    «Kerstin, was soll ich sagen? Genau wie du habe ich ihn vorgestern das erste Mal gesehen. Und du kennst ihn bestimmt besser. Jedenfalls ein bisschen.»
    «Du musst den Eindruck haben, dass ich mit jedem neuen Kollegen gleich ins Bett gehe.»
    «Unsinn. Du bist mir keine Rechenschaft schuldig. Und du weißt genau, dass ich mich in diese Dinge niemals einmische.»
    «Aber du kannst mir sagen, was du von ihm hältst.»
    «Ich glaube, dass ich mich in ihm getäuscht habe. Er ist verschlossen, aber nicht hochmütig. Sein Wissen ist beeindruckend. Ich bin froh, dass er an diesem Fall mitarbeitet. Bist du… hast du dich in ihn verliebt?»
    Sofort bereute er seine Frage.Aber Kerstin lachte. «Das wäre wohl zu viel gesagt.»
    «Aber verknallt?»
    «Ja… vielleicht…Aber ich werde nicht schlau aus ihm. Er ist wahnsinnig sensibel. Ein empfindsamer Riese. Mir kommt es vor, als habe er irgendein Geheimnis, an das man nicht rühren darf.»
    «Was meinst du?»
    «Er redet, er scherzt, er lacht. Und dann versinkt er von einer auf die andere Sekunde in stumpfes Brüten. Ich fürchte, dass er schwermütig ist. Und davor habe ich Angst.»
    «Na komm, Kerstin. Vielleicht fremdelt er einfach noch ein wenig.»
    Sie schüttelte den Kopf. «Nein, das ist es nicht.Als er sein Hemd ausgezogen hat, habe ich gesehen, dass er an beiden Handgelenken Schnittnarben hat.»
    «Du denkst, er hat…»
    «Er hat als Jugendlicher versucht, sich das Leben zu nehmen. Wenigstens das hat er zugegeben.Aber er wollte mir nicht sagen, warum.»
    «Weißt du, wo er herkommt? Hat er dir irgendwas über seine Familie erzählt?»
    «Nein, auch darüber wollte er nicht sprechen.»
    «Dann lass ihm Zeit. Er muss ja nicht gleich in der erstenNacht sein Herz auf den Tisch legen. Vielleicht istes gut, wenn du ihm Raum gibst. Zieh dich zurück, ruf ihn nicht mehr an. Gib ihm zu verstehen, dass er es ist, der auf dich zukommen muss.»
    Am Hattenbacher Dreieck wechselten sie auf dieA 7, die sie schon bei der nächstenAbfahrt wieder verließen. Sie durchquerten zwei kleine Dörfer und machten sich lustig über
    die

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